Kunsträume – Kunstbezogene Angebote als EckpfeilerRichard Stang 1. Kunst als Teil des Konzepts Die Auseinandersetzung mit Kunst findet in den meisten Bibliotheken auf der Ebene der Literatur statt. Zwar gibt es auch viele Bibliotheken, die regelmäßig Ausstellungen von bildenden Künstler/innen bzw. zu kunstbezogenen Themen anbieten, doch geschieht dies meist nicht im Rahmen einer kunstbezogenen Gesamtkonzeption. Dies ist in der Stadtbücherei Stuttgart anders. Hier kommt der Auseinandersetzung mit Kunst und Künstler/innen ein hoher Stellenwert zu. Die Integration von Kunst in die Arbeit der Stadtbücherei hat Tradition. Es gibt neben traditionellen Angeboten wie Ausstellungen, Lesungen und Vorträgen das Konzept der „Kunsträume" sowie regelmäßig Aktivitäten, die Rauminszenierungen als Bestandteil einer sich permanent verändernden Stadtbücherei integrieren. Damit wird künstlerischen Methoden wie Improvisation, Inszenierung und Experiment Rechnung getragen. Die Besucher sollen angeregt und irritiert und dadurch motiviert werden, sich mit neuen Themenstellungen auseinander zu setzen. Neugierde zu wecken ist dabei eines der wichtigsten Ziele. Erkundungen von und Konfrontationen mit künstlerischen Experimenten können Anregungen bieten und Sichtweisen verändern. Dieses Potenzial bietet sich für den Lernort Bibliothek geradezu an. Künstlerische Zugänge zur Welt, die durch spielerische Erkundungen und Experimente gekennzeichnet sind, bieten vielfältige Anregungen für Strategien zur Alltagsbewältigung sowohl in der beruflichen als auch in der privaten Lebenswelt. Da Wissen, Vorerfahrung, individuelle Interessen und der jeweilige situative Kontext unsere Wahrnehmung bestimmen und wir unsere Wirklichkeit „konstruieren", ist es wichtig, Strategien zu entwickeln, die es erlauben, unsere Vorstellungen und unsere Positionierung im Kontext der Gesellschaft zu reflektieren. Eine dieser Strategien, aus dem gewohnten Kontext herauszutreten, bietet die Auseinandersetzung mit Kunst und künstlerischen Positionierungen. Auch im Konzept der geplanten „Bibliothek 21" spielt die Auseinandersetzung mit Kunst eine zentrale Rolle. Dem soll nicht nur durch die bauliche Gestaltung der neuen Bibliothek Rechnung getragen werden, sondern auch durch die Konzeption der Angebote.
2. Konzeption der Angebote 2.1 Überblick Das Thema Kunst spielt in der Stadtbücherei Stuttgart auf unterschiedlichen Ebenen eine wichtige Rolle. Hier gibt es zum einen
die vor allem in der Zentralbücherei im „Wilhelmspalais" realisiert werden. Zum anderen sind es die „Kunsträume", die weitere wichtige Element in diesem Bereich sind. Diese „Kunsträume" wie
bieten hier vielfältige Ansatzpunkte. Spezielle Informationsdienste und Sammlungen wie „Stuttgarter Literaturszene" und „Musikregion Stuttgart" sorgen für einen Austausch mit Künstlerinnen und Künstlern in der Region. Literaturprojekte im Internet ergänzen diese Angebote. 2.2 Ausstellungen, Veranstaltungen, Rauminszenierungen Am Beispiel des Projektes „Der Kunstgarten", das vom 21.März bis 30. Juni 2000 von der Stadtbücherei Stuttgart realisiert wurde, lässt sich ein guter Überblick über die unterschiedlichen Dimensionen der Auseinandersetzung mit Kunst geben. Unter dem Thema „Der Garten als literarischer Ort – der Garten als Leseort" wurden auf den unterschiedlichsten Ebenen kunstbezogene Angebote realisiert.
Beschreibung „Bibliothek im Garten" In der Mitte zwischen beiden Eingängen der Bibliothek befindet sich ein Podest mit Rasen überzogen, auf dem eine geschwungene Holzbank und eine Putte stehen. Dieses Arrangement wird stimmungsvoll eingerahmt von zwei Pfeilern des Gebäudes. Links davor sind drei verschieden große Buchsbäumchen aufgestellt, rechts davon blühende Pflanzen in Rosé-Tönen, die wunderbar zur Farbe der Rosensträucher hinter der Bank passen. Abgerundet wird dieses Bild durch die kleinen Bäumchen, die im ersten Stock der Bibliothek auf dem Balkon arrangiert wurden. Links und rechts vom Podest weg sind an den Pfeilern hin zu den Sonnenschirmen Seile gespannt, an denen bunte DIN-A 4-Zettel mit Gedichten hängen. Auf dem Bibliotheksvorplatz stehen außerdem auf jeder Seite ein großer Sonnenschirm mit Tisch und Stuhlgruppe darunter und 12 Liegestühle. Auf den Holztischen liegen Zeitschriften zur Thematik „Garten". Des Weiteren gibt es fünf portable Buchständer, die gleichmäßig auf beide Seiten verteilt sind und verschiedene Gartenbücher (vor allem Bildbände oder Ratgeber) ausstellen. Auf fast allen Buchständern befindet sich ein Flyer mit der Ankündigung zu „Bibliothek im Garten" und den Daten der Lesungen. Ein Stück vor dem Arrangement (wenn man von der Straße her kommt), steht außerdem auf der rechten Seite eine Werbetafel, auf der auf die Aktion hingewiesen wird und die Termine der Lesungen abgedruckt sind. Auf der linken Seite sind die Fahrradständer der Bibliothek angebracht. Das Arrangement gibt ein sehr stimmungsvolles Bild ab: Die Blütenfarben harmonieren wunderbar miteinander und verbreiten eine sommerliche Atmosphäre. Dazu kommen die warmen Holztöne der Sitzgruppen und des Sonnenschirms, sowie die blau-weiß gestreiften Liegestühle, die einladend auf dem Platz verteilt sind, von der Richtung her alle auf das Podest zuweisend. Auf dem Podest finden jeden Tag drei Lesungen mit der Gruppe WORTISSIMO Stuttgart statt. Der erste Tag steht unter dem Motto „Testi sui giardini – Texte über Garten" (Italien), der zweite Tag unter „Álomy táj – Traumlandschaften" (Ungarn) und der dritte Tag unter „Un amateur de jardinage – Ein Gartenfreund" (Frankreich). Die Lesungen mit Texten von Autoren aus den jeweiligen Ländern finden auf Deutsch statt. Neben diesen Aktivitäten gab es die Pflanzaktion „Blau für Salucci", die bereits im November 1999 durch den Künstler Victor Sanovec realisiert wurde und durch die unterschiedlichen Wachstumsstadien als sichtbares Zeichen vor der Stadtbücherei auf den Beginn des Projektes „Der Kunstgarten" hinführte. Insgesamt bot dieses Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm eine breite Palette von kunstbezogenen Aktivitäten, die das typische Angebotsspektrum der Stadtbücherei repräsentieren, wie auch um eine neue Dimension erweiterten. 2.3 Kunsträume Neben Literatursalon und Musikbücherei prägen vor allem die Angebote von Kunstraum und Graphothek den Kunstbezug der Stadtbücherei Stuttgart. Der „Futuristische Leses@lon" bietet Literatur in einem anregungsreichen Ambiente. Neben Werken der Weltliteratur (Prosa, Lyrik, Sagen, Märchen usw.) finden sich hier auch Roman-Bestseller sowie Hörkassetten, Literatur-CD-ROMs. Auf Informationen zur „Stuttgarter Literaturszene" kann ebenfalls zugegriffen werden. Computer erlauben es, sich die Literaturprojekte der Stadtbücherei im Internet anzuschauen, die im WWW zu finden sind unter: http://www.s.shuttle.de/buecherei/hyperfiction/stuttgart.htm. Die Musikbücherei bietet Noten, Bücher über Musik, Compact Discs, Musikvideos, Multimedia-CD-ROMs und andere musikbezogene Medien zum Ausleihen, Kopfhörerplätze zum Anhören von Schallplatten und CDs sowie wichtige Musikzeitschriften, Datenbanken. Mit der Dokumentation zur Stuttgarter Musikszene („Musikregion Stuttgart") steht ein umfangreicher Informationsservice – inzwischen auch im Internet – zur Verfügung. Ausstellungen und Veranstaltungen ergänzen das Angebot. Im Kunstraum befinden sich Medien zu den Bereichen Kunst, Architektur, Design, Theater, Tanz und Film. Das Profil des als Lernatelier konzipierten Raums soll in Zukunft folgende Schwerpunkte haben:
Im Bereich Medienkunst soll der Entwicklung Rechnung getragen werden, dass die Grenzen zwischen Zeitgenössischer Kunst, Film, Fotografie, Videokunst, Computerkunst, Theater und Tanz zunehmend fließend geworden sind. Die Vernetzung der verschiedenen Kunstbereiche soll sich in der Präsentation der Medien widerspiegeln. Die Profilierung des Medienbestandes geschieht hier durch gezielte Anschaffungen. Neben aktueller Literatur werden hier vor allem angeschafft:
In der Graphothek stehen ca. 2000 Blätter (Originaldruckgrafiken, Zeichnungen, Unikate in verschiedenen Techniken und Photos) zur zweimonatigen Ausleihe zur Verfügung. Die Auswahl kann mit Hilfe eines Diakatalogs vorgenommen werden. Zu jedem Bild gibt es Informationen über Technik, Kunstrichtung und den Künstler. In enger Verknüpfung mit den Angeboten im Kunstraum können durch Kunstzeitschriften, Nachschlagewerke, Kataloge und Monographien aktuelle Informationen zur Kunst des 20. Jahrhunderts ergänzt werden. Mit Ausstellungsprojekten, Rauminstallationen und Künstlergesprächen werden weitere kunstbezogene Angebote realisiert. 3. Untersuchung Da die kunstbezogenen Angebote in der Stadtbücherei Stuttgart einen Eckpfeiler der Konzeption darstellen, wurde im Rahmen des Projekts EFIL einer der Untersuchungsschwerpunkte auch auf diesen Bereich gelegt. Dabei konnte es nicht darum gehen, die gesamte Palette des Angebots in den Blick zu nehmen, sondern anhand eines übergreifenden Projektes die Bedeutung der kunstbezogenen Angebote für die Nutzer/innen herauszuarbeiten. Ein solches Projekt stellte das bereits oben vorgestellte Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm „Der Kunstgarten" dar. Im Rahmen dieses Projektes wurden vor allem drei Ebenen in den Blick genommen:
Im Zentrum der Untersuchung standen unter anderem Fragen nach
Dazu wurde unterschiedliche Untersuchungsdesigns entwickelt, die allerdings alle Fragebogen als Basismaterial hatten. Die Untersuchungen wurden folgendermaßen gestaltet:
Die Fragebogen für die unterschiedlichen Teilbereiche waren so konzipiert, dass 8 von 11 bzw. 12 Fragekomplexen übereinstimmten und es so möglich war, bei diesen Fragekomplexen die Ergebnisse zu vergleichen.
4. Ergebnisse und Auswertung 4.1 Ausstellung Im Rahmen der Befragung wurden an vier Tagen 335 Personen beim Verlassen der Bibliothek befragt. Das bedeutete, dass hier ein Querschnitt der Besucher/innen erfasst und deren Bezug zu kunstbezogenen Aktivitäten der Stadtbücherei erfragt werden konnte. Bezogen auf die Ausstellung fiel auf, dass 47% die Ausstellung mit den Fahnen nicht aufgefallen war. Noch mehr Personen (80%) hatten sich die Buchausstellung zum Thema nicht angeschaut. Die Frage danach, wie die Besucher/innen auf die Ausstellung aufmerksam wurden, brachte folgende Ergebnisse: 37% wurden über den Besuch der Stadtbücherei auf die Ausstellung aufmerksam, Hinweise in der Zeitung (4%) und durch das Veranstaltungsprogramm (5%) spielten nur eine geringe Bedeutung. Speziell nur für die Ausstellung waren 3% der Besucher/innen in die Stadtbücherei gekommen, was darauf hindeutet, dass das Angebot der Ausstellung in der Hauptsache von Personen wahrgenommen wurde, die auch normalerweise in die Bibliothek kommen. Die Motivationen Ausstellungsangebote zu nutzen sind bei den Befragten unterschiedlich. Die wichtigsten Motivationen sind:
Kaum eine Rolle spielen die Motivationen:
Interessant ist bei der Abfrage der Motivationen, dass jeweils um die 40 Prozent der Befragten keine Antwort geben. Dies kann damit zusammenhängen, dass sich die Personen, denen die Ausstellung nicht aufgefallen war, nicht zu dieser Frage äußern wollten, obwohl die Frage offen formuliert war: „Warum nutzen Sie bzw. würden Sie Ausstellungsprojekte wie ‚Der Kunstgarten‘ nutzen?". Die Bedeutung von Kunst in der Stadtbücherei wird von den Befragten hoch eingeschätzt, dies hat sich in verschiedenen Einschätzungen, die abgefragt wurden, gezeigt. So haben der Aussage „Die Stadtbücherei ist ein Ort, der Kunst und Wissen verbindet" 82% „teilweise" bis „voll und ganz" zugestimmt.
Tabelle 1 Auch der Aussage „Die Kunstangebote sind aus der Stadtbücherei nicht wegzudenken" stimmen 65% „teilweise" bis „voll und ganz" zu, wobei bei dieser Einschätzung mit 32% ein hoher Prozentsatz nur „teilweise" zustimmt, was auf eine gewisse Ambivalenz hindeutet.
Tabelle 2 Die Bedeutung der kulturellen Angebote der Stadtbücherei für das Leben in Stuttgart wird außerordentlich hoch eingeschätzt. Der Aussage, dass diese das Leben in Stuttgart reicher machen, stimmen 80% „teilweise" bis „voll und ganz" zu. Auch wenn die Befragten Besucher/innen der Stadtbücherei sind und dadurch eine Bindung zu dieser Institution haben, ist diese Bewertung sehr positiv einzuschätzen.
Tabelle 3 Vor dem Hintergrund betrachtet, dass die Befragten zufällig beim Verlassen der Stadtbücherei bezogen auf die Ausstellung befragt wurden, machen die hier nur punktuell dargestellten Ergebnisse deutlich, dass die Bedeutung von kunstbezogenen Angeboten der Stadtbücherei für die Nutzer/innen einen hohen Stellenwert haben. Man kann davon ausgehen, dass die regelmäßigen Angebote, Ausstellungen und Kunstaktionen wie Rauminszenierungen, zur Sensibilisierung der Besucher/innen für Kunst, aber auch für andere Angebote beitragen. Dies wird in der Stellungnahme zu folgender Aussage deutlich:
Tabelle 4 Dass die Beschäftigung mit Kunst zum Lernen anregt, ist in diesem Zusammenhang ein weiterer wichtiger Aspekt. 72% stimmen dieser Aussage „teilweise" bis „voll und ganz" zu. Betrachtet man, dass 10% diese Frage nicht beantwortet haben, wird die Bedeutung der kunstbezogenen Angebote des Lernortes Bibliothek für die Nutzer/innen offensichtlich.
Tabelle 5
4.2 Veranstaltungen Im Rahmen der Befragung zu den Veranstaltungen wurden bei sechs Vorträgen der Veranstaltungsreihe „Der Kunstgarten" insgesamt 79 Personen befragt. Da diese Personen speziell für dieses Angebot in die Stadtbücherei kamen, war davon auszugehen, dass bei diesen Besucher/innen ein großer Bezug zu kunstbezogenen Angeboten der Stadtbücherei vorhanden ist. Bezogen auf die Veranstaltungen waren vor allem das Veranstaltungsprogramm (33%), Hinweise in der Zeitung (25%) und Hinweise durch Bekannte (18%) die „Medien", welche die Besucher/innen auf das Angebot aufmerksam gemacht haben; die spezielle Einladungskarte war dies immerhin noch für 9%. Die Motivationen Ausstellungsangebote zu nutzen sind bei den Befragten unterschiedlich. Das Interesse am Thema überwiegt hier bei der Motivation: Für 84% (bei 86% Beantwortung der Frage) trifft dies „teilweise" bis „voll und ganz" zu. Das Informationsinteresse schlägt noch mit 52% (bei 59% Beantwortung der Frage) zu Buche und Neues erfahren zu wollen mit 61% (bei 66% Beantwortung der Frage). Damit treffen diese drei Motivationen bei ca. 90% der Personen, die geantwortet haben zu. Mit Menschen in Kontakt zu kommen (14% bei 51% Beantwortung) und zu entspannen (19% bei 54% Beantwortung) spielen hier ebenfalls kaum eine Rolle. Auffallend ist bei der Befragung der Besucher/innen der Veranstaltungen, dass die über 40-jährigen mit 65% sehr stark vertreten sind. Bei der Nutzerbefragung im Frühjahr 2000 hat sich gezeigt, dass nur 15,5% der Nutzer/innen über 45 Jahre alt sind. Auch hier wird von den Befragten – wie zu erwarten – die Bedeutung von Kunst in der Stadtbücherei sehr hoch eingeschätzt, dies hat sich in unterschiedlichen Einschätzungen gezeigt. Der folgenden Aussage haben 83% „teilweise" bis „voll und ganz" zugestimmt.
Tabelle 6 Nicht wegdenken können sich die Kunstangebote aus der Stadtbücherei 70%.
Tabelle 7 Die Bedeutung der kulturellen Angebote der Stadtbücherei für das Leben in Stuttgart wird noch höher als bei den zur Ausstellung Befragten eingeschätzt. Der Aussage, dass die kulturellen Angebote das Leben in Stuttgart reicher machen, stimmen 88% „teilweise" bis „voll und ganz" zu.
Tabelle 8 Obwohl 28% der bei den Veranstaltungen Befragten keine weiteren Angebote der Stadtbücherei nutzen, wird die Bedeutung von außergewöhnlichen Aktivitäten der Stadtbücherei für die Aufmerksamkeit auf andere Angebote mit 79% sehr hoch eingeschätzt.
Tabelle 9 Der Aussage „Die Beschäftigung mit Kunst regt zum Lernen an" stimmen 79% zu. Betrachtet man, dass hier ebenfalls 10% diese Frage nicht beantwortet haben, wird deutlich, dass auch das ältere Publikum der Veranstaltungen die Bedeutung der kunstbezogenen Angebote für das Lernen hoch einschätzt. Im Bezug auf die beiden anderen Befragungen fällt auf, dass der Anteil der Personen, die hier „voll und ganz" zustimmt mit 39% deutlich höher liegt als bei den Befragungen zur Ausstellung (21%) und bei „Bibliothek im Garten" (27%).
Tabelle 10
4.3 Rauminszenierung Im Rahmen der Befragung wurden an den drei Tagen der Aktion „Bibliothek im Garten" insgesamt 91 Personen befragt. Auch hier wurde ein sehr gemischtes Publikum erreicht, da manche speziell wegen dieses Angebots kamen, andere eher zufällig beim Besuch der Bibliothek auf das Angebot stießen oder zufällig beim Vorbeilaufen an der Bibliothek. Immerhin wurden 24% zufällig beim Vorbeilaufen auf dieses Angebot aufmerksam, 42% durch den Besuch der Stadtbücherei, 15% durch Hinweise von Bekannten, 14% durch das Veranstaltungsprogramm und 10% durch Informationen in der Stadtbücherei. Die Einladungskarte und Hinweise aus der Zeitung wurden jeweils mit 9% angegeben. (Bei dieser gab es Mehrfachnennungen.) Das Interesse am Thema ist eine wichtige Motivation: Für 54% (bei 70% Beantwortung der Frage) trifft dies „teilweise" bis „voll und ganz" zu. Das Informationsinteresse schlägt nur mit 38% (bei 60% Beantwortung der Frage) zu Buche und Neues erfahren zu wollen allerdings mit 50% (bei 64% Beantwortung der Frage). Durch das besondere Ambiente, das auch auf Kommunikation und Entspannung ausgerichtet ist, erstaunt es nicht, dass mit Menschen in Kontakt zu kommen (31% bei 58% Beantwortung) und zu entspannen (55% bei 70% Beantwortung) wichtige Rollen bei der Motivation spielen. Dass dieses Angebot sehr gut bei den Besucher/innen ankommt, zeigten die Antworten auf die Frage „Wie finden Sie das Angebot „Bibliothek im Garten"? Schaubild 1 Da mit dem Angebot ein sehr gemischtes
Publikum erreicht wurde, war vor Durchführung der Veranstaltung nicht
eindeutig zu beurteilen, wie die Befragten die Bedeutung von Kunst in der
Stadtbücherei einschätzen würden. Doch auch hier hat sich gezeigt, dass
der folgenden Aussage 80% „teilweise" bis „voll und ganz"
zustimmen.
Tabelle 11 Nicht wegdenken können sich die Kunstangebote aus der Stadtbücherei 70%.
Tabelle 12 Auch bezogen die Bedeutung der kulturellen Angebote der Stadtbücherei für das Leben in Stuttgart wird hier ein hoher Wert erreicht. Der Aussage, dass die kulturellen Angebote das Leben in Stuttgart reicher machen, stimmen 91% „teilweise" bis „voll und ganz" zu. Nur 4% enthielten sich hier der Antwort, was im Verhältnis zu den anderen Einschätzungen, wo die Quote der Nicht-Antwortenden höher liegt, die Bedeutung nochmals besonders hervorhebt.
Tabelle 13 Die Bedeutung von außergewöhnlichen Aktivitäten der Stadtbücherei für die Aufmerksamkeit auf andere Angebote wird mit 78% annähernd so hoch eingeschätzt wie bei den Befragten der Veranstaltungen.
Tabelle 14 Der Aussage „Die Beschäftigung mit Kunst regt zum Lernen an" stimmen 86% „teilweise" bis „voll und ganz" zu.
Tabelle 15 Die Bedeutung von Kunst spielt bei den Befragten eine große Rolle und das Interesse an ungewöhnliche Angeboten wird durch die sehr positive Bewertung des Angebots „Bibliothek im Garten" eindrucksvoll bestätigt. Doch bei diesem Angebot interessierte nicht nur die Einstellung der Befragten, sondern auch, wie die Personen das Angebot nutzen, wie sie agieren und wie sie kommunizieren. Durch teilnehmende Beobachtung sollten hier Aufschlüsse vor allem in drei Dimensionen gewonnen werden:
Die teilnehmende Beobachtung fand während der drei Tage statt und hatte neben dem Geschehen bei den Lesungen, auch das allgemeine Geschehen im Blick. Zusammenfassend lassen sich für die drei Dimensionen folgende Ergebnisse festhalten:
Insgesamt herrschte eine angenehme ruhige Atmosphäre, die ungewohnte Inszenierung irritierte, weckte aber auch Neugierde. Es fällt auf, dass die Einstellungen, welche die Leute im Fragebogen äußerten, sich nicht in Aktion und Kommunikation wiederspiegelten. Obwohl im Fragebogen 31% (bei insgesamt 58% Beantwortung) die Motivation „mit Menschen in Kontakt zu kommen" für sich „teilweise" bis „voll und ganz" zutreffend fanden, konnte dies nur bedingt umgesetzt werden. Im Gegensatz dazu die Motivation „sich zu entspannen", die von 55% (bei 70% Beantwortung) geäußert wurde und auch sichtbar umgesetzt wurde. 4.4 Zusammenfassung Bedeutung von Kunst Die Bedeutung kunstbezogener Angebote der Stadtbücherei ist für Nutzer/innen sehr groß. Dies gilt sowohl für die „normalen" Besucher/innen als auch für die Besucher/innen besonderer kunstbezogener Veranstaltungsangebote wie Vorträge oder „Bibliothek im Garten". Die Beschäftigung Kunst auf den unterschiedlichsten Ebenen gehört zu den Eckpfeilern der Stadtbücherei und ist Teil der Institutionskultur. Für die Besucher/innen ist dies erkennbar und wird entsprechend gewürdigt. Öffentlichkeitsarbeit Auffallend ist, dass die verschiedenen Formen der Öffentlichkeitsarbeit je für die einzelnen Bereiche wie Ausstellung, Vorträge und „Bibliothek im Garten" sehr unterschiedlich zum Tragen kommen. Ob Veranstaltungsprogramm, spezifische Einladungskarte, Hinweise in der Zeitung oder Hinweise durch Freunde – man kann für die verschiedenen Bereiche kein einheitliches Profil herausarbeiten, nach dem Öffentlichkeitsarbeit bei den Besucher/innen zum Tragen kommt. Das bedeutet, dass auch zukünftig die breite Palette der Öffentlichkeitsarbeit ihre Berechtigung hat. Altersstruktur Mit Veranstaltungen, seien es Vorträge oder besondere Angebote wie „Bibliothek im Garten" wird ein älteres Publikum erreicht als der „normale" Nutzer/innen-Durchschnitt. Dies deutet darauf hin, dass die verschiedenen Altersgruppen unterschiedliche Interessen bezogen auf Wissensaneignung haben. Dabei kann es allerdings auch eine Rolle spielen, dass besonders kunstbezogene Angebote nicht im Kontext von Qualifizierung für die Arbeitswelt gesehen werden, sondern eher als Ausgleich im Alltag, der eher bei älteren Personen eine Rolle spielt. Bildungsstruktur 54% der Besucher/innen der Vorträge haben ein abgeschlossenes Studium (Ausstellung: 39%, Bibliothek im Garten: 33%). Das macht deutlich, dass Vorträge, die sehr traditionell angelegt sind, den Interessen bezogen auf die Art der Informationspräsentation vor allem Akademiker/innen entgegenkommt. Diese Resonanz auf die Vorträge kommt der Strategie der Stadtbücherei entgegen, mit den kunstbezogenen Vorträgen ein gut gebildetes, kunstinteressiertes Publikum zu erreichen.
Geschlechterstruktur Während bei der Befragung zur Ausstellung, bei der die „normalen" Bibliotheksbesucher/innen befragt wurden, 57% der Besucher/innen weiblich waren, waren es sowohl bei den Vorträgen als auch bei „Bibliothek im Garten" jeweils 63%. Dies weist darauf hin, dass spezielle kunstbezogene Angebote eher ein weibliches Publikum ansprechen. Dies deckt sich auch mit Erfahrungen aus der Weiterbildung, wo im Bereich „Kulturelle Bildung" der Frauenanteil unter den Teilnehmenden noch etwas höher liegt.
Präsentation Ausstellung Dass die Ausstellung mit den Fahnenbildern fast der Hälfte und die Buchausstellung 80%der Besucher/innen, die im Kontext ihres „normalen" Bibliotheksbesuchs befragt wurden, nicht aufgefallen ist, deutet darauf hin, dass die Präsentation die Alltagswahrnehmung der Bibliotheksbesucher/innen nicht ausreichend irritiert hat, um sie auf die Fahnen/Gartenbilder und die Buchausstellung aufmerksam zu machen. Dies verweist auf die äußerst wichtigen Fragestellungen von Wahrnehmung und Orientierung in Kultureinrichtungen. Wenn die Leute wie in einer Bibliothek mit konkreten Vorstellungen kommen, was sie suchen, dann scheint, die Wahrnehmung sich sehr stark auf dieses Ziel hin zu orientieren und andere Dinge werden kaum wahrgenommen. Publikumsspezifik Vorträge 28% der Besucher/innen der Vorträge nutzen keine anderen Angebote der Stadtbücherei. Das bedeutet, dass mit den Vorträgen ein Publikum angesprochen werden kann, das nicht zu den regelmäßigen Nutzer/innen der Stadtbücherei gehört. Akzeptanz neuer Angebotsformen Die äußerst positive Einschätzung des Angebots „Bibliothek im Garten" sowie der hohe Anteil an Personen, die im Vorbeigehen auf das Angebot aufmerksam wurden, macht deutlich, welches Potenzial in solchen Angeboten für die Stadtbücherei steckt. Irritation der gewohnten Wahrnehmung erhöht die Aufmerksamkeit der Leute. Die Öffnung der Institution nach Außen, scheint auch Menschen zur Teilnahme an Angeboten zu animieren, die sonst die Angebote nicht nutzen bzw. „Schwellenängste" im Bezug auf den Besuch der Bibliothek haben.
Perspektiven Die Untersuchungen im Rahmen des Projektschwerpunkts „Kunsträume" der Stadtbücherei Stuttgart diente dazu, auf den unterschiedlichen Ebenen Einschätzungen der Besucher/innen bezogen auf kunstbezogene Angebote der Stadtbücherei herauszuarbeiten. Das Untersuchungsdesign und die im Rahmen der Untersuchung erreichte Stichprobe konnten nicht auf Repräsentativität im umfassenden Sinne angelegt sein, es ging vielmehr darum, aktuelle Tendenzen festzuhalten. Die Ergebnisse geben allerdings einige Anhaltspunkte für Interessenslagen, soziale Struktur und Bedürfnisse der Besucher/innen der Stadtbücherei Stuttgart, die auch interessant für die Angebotsgestaltung von Kultur- und Weiterbildungseinrichtungen im Allgemeinen sind. Vor allem folgende Dimensionen lassen sich hier besonders herausheben:
Dimension „Öffentlichkeitsarbeit" Die Frage, wie Öffentlichkeitsarbeit gestaltet werden muss, stellt sich jeder Kultur- und Weiterbildungseinrichtung. Dabei geht es unter anderem darum, ob man das Publikum halten oder neues Publikum ansprechen will. Institutionen, die einen festen Besucher/innenkreis haben und diesen stabilisieren wollen, werden vor allem regelmäßige Informationen nutzen. Veranstaltungsprogramme gehören hier meistens zum Standard, müssen allerdings durch Pressearbeit unterstützt werden, da viele Leute recht kurzfristig entscheiden, ob sie zu einer Veranstaltung gehen und dabei eine vorhandene Programmbroschüre weniger Bezugspunkt ist als eine aktuelle Information in der Zeitung. Neues Publikum lässt sich natürlich auch mit diesen Maßnahmen erreichen. Allerdings erscheint es erfolgsversprechender, wenn besondere Events offen gestaltet werden, so dass der Zugang leicht fällt (vgl. Bibliothek im Garten). Spezielle Veranstaltungsflyer, die an verschiedenen Orten ausgelegt waren, wurden in der Untersuchung kaum als Aufmerksamkeitsmedium wahrgenommen, trotzdem haben solche besonderen Werbemittel den wichtigen Effekt der Positionierung in der Öffentlichkeit. Man sollte sie allerdings nicht als „Frequenzbringer" überbewerten. Dimension „Orientierung und Wahrnehmung" Orientierung und Wahrnehmung sind schon immer bedeutende Dimensionen bei der Gestaltung von kulturellen Angeboten wie z.B. Ausstellungen. Vor allem in Kultur- und Weiterbildungseinrichtungen, die einen konzeptionellen Fokus haben wie z.B. Museen mit Dauerausstellungen, Bibliotheken und Volkshochschulen, lässt sich immer wieder die Erfahrung machen, dass ungewöhnliche Angebote, die im eigentlichen Sinne nicht zur konzeptionellen Ausrichtung passen, von den Besucher/innen oft nicht wahrgenommen werden, es sei denn, die Irritation ist so groß, dass diese nicht „vorbei schauen" können. Der gewohnte, oft zielgerichtete Zugang zum Angebot der Einrichtung ist nicht selten so „eingeschliffen", dass Ungewöhnliches nur auffällt, wenn es „sich in den Weg stellt". Die Gestaltung von Anregungssettings, die die Besucher/innen „irritieren" und damit zur Auseinandersetzung und zum Lernen anregen, ist eine der spannendsten Aufgaben für Kultur- und Weiterbildungseinrichtungen. Dimension „Kunst und künstlerisches Gestalten" Einen wichtigen Zugang zur Gestaltung von solchen Anregungssettings bietet die Kunst. Spielerische Erkundungen, Experiment, Improvisation sind Dimensionen künstlerischen Arbeitens, die auch für Kultur- und Weiterbildungseinrichtungen interessante Ansatzpunkte bieten, veränderte Lernarrangements zu entwickeln. So können künstlerische Inszenierungen von Räumen oder Angebote zum Künstlerisch kreativen Gestalten von Besuchern hier Ansätze bieten. Bei der zunehmenden Bedeutung kreativer Gestaltungspotentiale in unserer Gesellschaft wird solchen Angeboten und Zugängen in Zukunft eine besondere Bedeutung zukommen. Dimension „Öffnung nach Außen" Die Öffnung von Institutionen nach Außen bietet vielfältige Ansatzpunkte zur Gestaltung veränderter Anregungssettings. Wie sich am Beispiel der „Bibliothek im Garten" gezeigt hat, bietet die Verlagerung von Aktivitäten nach Außen zum einen die Möglichkeit, bei Menschen die Schwellenangst zu reduzieren, zum anderen kommen eher erlebnisorientierte Angeboten den Bedürfnislagen der Besucher/innen entgegen. Entspannung, Anregung, Offenheit sind u.a. Dimensionen, die solche Angebote kennzeichnen können. Für Kultur- und Weiterbildungseinrichtungen sollten solche Angebote zur Selbstverständlichkeit werden. |