Susanne Offenbartl die_logo1a.gif (1181 Byte) Januar 1999


Im Online-Seminar zur Medienkompetenz
Konzept und Erfahrungen eines Online-Seminars

Im Rahmen des Projekts Internet Service am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung e.V. fand 1998 ein zweimonatiges Seminar im Internet statt. Eingerahmt durch zwei Präsenzseminare hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, Ihre Medienkompetenzen durch die thematische Nutzung des Internet für ihre konkreten Arbeitszusammenhänge zu entwickeln. Wichtigstes Ergebnis: Gerade für EinsteigerInnen ins Internet bedarf das selbstgesteuerte Lernen im Internet sehr vieler steuernder Elemente.

Das Projekt Internet-Service ESPRID am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung...

...wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und läuft von Januar 1998 bis Dezember 2000. Das Projekt stellt im Internet eine Informations- und Kommunikationsstruktur bereit. Ziel ist es, Praxis und Forschung der Erwachsenenbildung zu vernetzen und dadurch selbstgesteuerte Lernprozesse anzuregen. ESPRID exploriert sowohl den Kommunikationsbedarf von ErwachsenenbildnerInnen und WissenschaftlerInnen als auch die Eignung von Supportstrukturen im Internet. Zum Beispiel werden Forschungsergebnisse und Berichte aus der Erwachsenenbildungspraxis zur Verfügung gestellt. Über das Internet können Forschungs- und Projektergebnisse rezipiert und zeitnah in die Praxis und Forschung der Erwachsenenbildung integriert werden. Darüber hinaus werden Kommunikationsplattformen eingerichtet, die den asynchroner Erfahrungsaustausch und die Diskussion zwischen Praxis und Forschung ermöglichen.

Das Online-Seminar war eines der Diskussionsforen, die das Projekt exploriert. Eine geschlossene Gruppe, die sich über einen festgelegten Zeitraum zu vorher bestimmten Themen asynchron austauscht. Andere Anordnungen (zum Beispiel das offene, unbefristete, thematisch nicht näher eingeschränkte, asynchrone Forum "Erwachsenenbildung", das über www.die-frankfurt.de/esprid/ erreichbar ist), werden ebenfalls getestet, um Aussagen über die Akzeptanz und die Perspektiven von Diskussionsforen im Internet für die Erwachsenenbildung treffen zu können.

Konzept des Online-Seminars

Die Teilnehmenden kamen aus der Planungsebene verschiedener Weiterbildungseinrichtungen und wollten alle demnächst multimediale Angebote in ihr Repertoire aufnehmen. Ihre Schwerpunkte lagen in den Arbeitsbereichen politische, kulturelle und Sprachenbildung. Ihre Internetvorkenntnisse gingen von "keine" bis " mit dem Recherchieren vertraut". Sie hatten noch nie an einem Online-Seminar teilgenommen. Teilweise hatten sie gerade eben einen beruflichen oder privaten Internetzugang bekommen (teilweise auch gerade noch nicht). Nicht alle verfügten über eine individuelle E-Mail-Adresse. Die Teilnehmenden arbeitete teilweise mit langsamen Prozessoren und Modems.

Die Lernziele waren:

Im ersten Präsenzseminar stellten sich die noch realen, später virtuellen Arbeitsgruppen für das Online-Seminar die Aufgabe Linklisten zu den Arbeitsbereichen zusammenzutragen sowie Konzepte bereitzustellen und darüber zu diskutieren. Zeitpunkt und Intensität der Bearbeitung und Konkretisierung der Aufgaben lagen in der Entscheidung der Teilnehmenden – genau das macht selbstgesteuertes Lernen im Internet aus.

Die Handhabung des Online-Seminars mußte aufgrund der geringen Vorkenntnisse für die Teilnehmenden möglichst einfach sein und die Unterstützungsangebote sehr vielfältig. Folgende Fähigkeiten wurden vorausgesetzt: Erreichen einer bestimmten Website, Benutzung von Links, Verschicken und Erhalten von Emails mit Attachement, Eingabe eines Beitrages in ein CGI-Skript.

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Ausgestaltung des Konzepts

Während des Präsenzseminars wurde die Handhabung des Online-Seminars erläutert und praktisch erprobt, um den notwendigen technischen Kenntnisstand zu erreichen. Die praktische Erprobung erwies sich als sehr wichtige Schnittstelle zwischen Präsenz- und Online-Seminar. Die Teilnehmenden entschieden sich, nicht öffentlich zu diskutieren. Daher können nur anonymisierte Screenshots, nicht aber die URL des Seminars veröffentlicht werden.

Gebrauchshinweise konnten von sehr vielen der bereit gestellten Websites aus aufgerufen werden. Um sich im virtuellen Seminar sicherer bewegen zu können, gab es auch eine Netiquette. Die Benutzeroberfläche wurde bewußt einfach gehalten (z.B. mit wenig grafischen Elementen), um die Ladezeiten zu minimieren und die Navigation zu erleichtern.

Fragen zur Handhabung konnten auch in einer eigenen Rubrik des CGI-Skriptes gestellt werden oder per Email an das Projekt. Antworten kamen normalerweise noch am gleichen Tag (oft innerhalb 1 Stunde) oder spätestens am nächsten Werktag. Als Notnagel konnte auch eine telefonische Hotline genutzt werden. Die Unterstützung per Email wurde von einigen sehr intensiv genutzt, so daß sich auch längere Emailwechsel ergaben.

Die inhaltliche Moderation umfaßte die fachliche Beantwortung von Fragen, Hinweise auf Angebote im Internet, die Kommentierung von eingestellten Konzepten und die Erinnerung an die Aufgabenstellung.

Während die Diskussionsbeiträge von den Teilnehmenden direkt über das CGI-Skript eingegeben werden konnten, mußten die Links und Konzept (Texte) per Email (möglichst als Attachment) an das Seminarteam geschickt werden. Das Team bereitete die Links und Texte auf und stellte sie im WWW bereit. Dieser Umweg war nötig, da nur sehr wenige Internetkompetenzen bei den Teilnehmenden vorhanden waren. Teilweise stimmten die geschickten URLs nicht oder waren nicht vollständig, Texte waren nicht in einer für die Veröffentlichung im Internet geeigneten Art und Weise erstellt (unprofessionelle Formatierung, keine klare Strukturierung).

Die Unterscheidung zwischen Diskussion einerseits und Bereitstellung von Links und Konzepten andererseits wurde von den Teilnehmenden häufig durchbrochen, so daß viele Links und auch einige konzeptionelle Ansätze zunächst über das CGI-Skript veröffentlicht wurden.

Für das Team entstand daraus ein hoher Pflegeaufwand: Links und Texte mußten aus der Diskussion oder aus Emails entnommen, aufbereitet und evtl. korrigiert, als html-Datei oder Download bereitgestellt und die Beiträge in der Diskussion evtl. gelöscht werden. Die Ergebnisse dieser Arbeiten und Entscheidungen standen nie später als am nächsten Werktag im Internet zur Verfügung. Der Betreuungsaufwand eines Online-Seminars kann wesentlich reduziert werden (ca. auf ein Drittel oder die Hälfte), wenn hierfür eine technische Lösung gefunden wird, die ebenfalls Korrekturmöglichkeiten eröffnet, gleichzeitig aber nicht mehr technische Kenntnisse von den Teilnehmenden verlangt. (Wir sind an der Weiterentwicklung des Skripts und der Websites zu dem Online-Seminar interessiert. Interessierte wenden sich bitte an offenbartl@die-frankfurt.de.)

Erfahrungen aus dem Online-Seminar

Die im folgenden zusammengefaßten Eindrücke und Erfahrungen beziehen sich auf dieses konkrete Online-Seminar und können nicht einfach verallgemeinert werden. Sie können allerdings die Grenzen und Chancen des Online-Lernens ein Stück qualitativ abstecken.

Verhältnis von Online- und Präsenzseminar

Die Folie, vor der sowohl die Teilnehmenden als auch die ModeratorenInnen über das Online-Seminar reflektierten, war das klassische Präsenzseminar. Erfahrungen ließen sich besonders deutlich herausarbeiten, wenn dem Lernen im Online-Seminar als einer für die Teilnehmenden neuen Lernform ein klassisches Präsenzseminar als vertraute Lernumgebung gegenübergestellt wurde.

Handhabung des Online-Seminars:
Die Teilnehmenden waren im ersten Präsenzseminar noch skeptisch oder ängstlich gegenüber dem Online-Seminar. Das Online-Lernen war dann aus verschiedenen Gründen dennoch sehr wichtig und hat Spaß gemacht: die gute Vorbereitung des Online-Seminars, das Ausprobieren im Präsenzseminar, die Hotline per Telefon und E-Mail.

Teilnahme am Online-Seminar:
Die Intensität der im Internet dokumentierten Teilnahme am Online-Seminar war sehr unterschiedlich. Wenige sehr Engagierte (ausschließlich Frauen) trugen sowohl die Diskussion als auch die Recherchearbeit. Die konzeptionellen Ansätze kamen teilweise auch von anderen (auch Männern). Die meisten beteiligten sich sporadisch und einige gar nicht. Wobei die Teilnehmenden alle das Online-Seminar verfolgten (in unterschiedlichen Zeitabständen).

Kommunikation im Online-Seminar:
Die Teilnehmenden erlebten die Kommunikation im Online-Seminar im Wesentlichen als "Einbahnstraße". Das heißt, Beiträge zur Diskussion, Rechercheergebnisse oder Konzepte wurden fast ausschließlich vom Team beantwortet oder kommentiert. Die Teilnehmenden selbst antworteten kaum auf die Beiträge anderer. Die Anregungen durch den Erfahrungsaustausch wurden daher als eher dürftig eingestuft.

Arbeitsgruppen:
Die Arbeitsgruppen, die sich zu den Arbeitsaufträgen gefunden hatten, waren im Online-Seminar nicht wahrnehmbar. Die Teilnehmenden berichteten eher von einem nebeneinander als von einem zusammen arbeiten an den gleichen Aufgaben. Punktuell gab es telefonische Absprachen und Kooperationen entlang der Arbeitsgruppen, die im Internet nicht erkennbar waren.

Arbeitaufträge:
Nach einheitlicher Einschätzung der Teilnehmenden waren die Arbeitsaufträge zu wenig konkret. Die Teilnehmenden hatten sich die Arbeitsaufträge im Wesentlichen selbst in Arbeitsgruppen gesetzt zu den Themenbereichen Sprachen, politische und kulturelle Bildung. Die Arbeitsgruppen wollten im Internet zu ihren Themenbereichen recherchieren, Links zusammentragen und Konzepte entwickeln, wie sie in ihre Programme multimediale Angebote integrieren können. Teilweise wurde es als die wichtigste Lernerfahrung des Online-Seminars bezeichnet, welchen Stellenwert ein möglichst konkreter Auftrag hat. Zu dieser Konkretisierung gehört die Definition des gemeinsamen Nutzens für die Arbeitsgruppenmitglieder und der Maßstab, wann eine Aufgabe erfüllt ist (wie viele Links, wie ausführlich ein Beitrag), und ein Zeitplan, was wann fertig zu sein hat. Eine motivierende und erinnernde Email des Teams zur Hälfte des Online-Seminars wurde als sehr anregend empfunden und steigerte auch sichtbar die Teilnahmefrequenz.

Lernerfolge durch das Online-Seminar:
Teilweise beteiligten sich die TN wenig an der Online-Diskussion und an den Arbeitsaufträgen, hatten aber dennoch enorme Lernerfolge, weil sie sich während des Online-Seminars intensiv die Zeit nahmen, im Internet zu recherchieren und damit das Internet für ihren ganz eigenen Arbeitsbereich nutzbar zu machen.

Transfer auf die eigene Arbeitssituation:
Einige Teilnehmenden versuchten bereits während des Online-Seminars, Veränderungen in ihrem Arbeitsbereich umzusetzen, und stießen dabei auf persönliche, finanzielle und technische Hürden innerhalb ihrer Einrichtung. Ein Austausch in der Online-Diskussion über diese Schwierigkeiten fand allerdings nur im Ansatz statt.

Nach Aussage der Teilnehmenden werden die umfangreichen Linklisten unmittelbar die Programmplanung bereichern und die Konzepte demnächst erprobt werden. Die Ergebnisse des Online-Seminars sind sehr nahe an der konkreten Arbeit der Teilnehmenden und können daher auch entsprechend leicht umgesetzt werden (eine systematische Evaluation des Transfers einige Zeit nach dem Seminar wurde nicht durchgeführt).

Schlußfolgerungen

Während die Kommunikationssituation eines klassischen Seminars normalerweise beherrscht wird, muß die kommunikative Kompetenz zur Nutzung des Internet erst aufgebaut oder vertieft werden. Die Komplexität dieser Kompetenzen darf nicht unterschätzt werden. Sie reicht von der Frage: In welchem Stil soll ich einen Beitrag schreiben (Brief, Statement, Stichworte)? Bis zur sehr persönlichen Ebene: Wie direkt kann ich im Internet Kritik üben und vertragen (vergleichbar mit mündlicher oder schriftlicher Kritik, oder entwickelt sich internetspezifischer Umgangston)? (Zu Kommunikation und Identität im Netz vergleiche S. Turkle 1998).

Gerade EinsteigerInnen im Internet sind sehr auf steuernde Rahmenbedingungen und Eingriffe bezüglich ihres selbstgesteuerten Lernens im Internet angewiesen und nehmen diese auch sehr gerne auf: Gebrauchshinweise, Spielregeln, Benutzeroberfläche und ihre Möglichkeiten, Hilfefunktionen, Support, Fragestellungen, kommunikative und fachliche Moderation. Unter diesen fremdgesteuerten Rahmenbedingungen entwickelt das Lernen im Internet bei EinsteigerInnen die Eigendynamik, die für selbstgesteuerte Lernprozesse charakteristisch ist.

Online-Seminare bieten für Programmplanende in der Erwachsenenbildung die Chance, die Nutzung der neuen Kommunikationstechnologien selbst zu erproben und auf der Basis dieser Erfahrungen näher an den Möglichkeiten des Mediums und der Teilnehmenden zu planen. Bezüglich der Urteilsfähigkeit über Online-Angebote sagte eine Teilnehmerin: "Wir sind jetzt Experten nach 2 Monaten, weil wir es selbst gemacht haben."

Literatur


Susanne Offenbartl: Im Online-Seminar zur Medienkompetenz. Konzept und Erfahrungen eines Online-Seminars. Online im Internet – URL: http://www.die-frankfurt.de/esprid/dokumente/doc-1999/offenbartl99_03.htm
Dokument aus dem Internet-Service des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung e. V. – http://www.die-frankfurt.de/esprid