Begründung des Tagungsthemas

"Die Auflösung des Patriarchats in seiner Rollenverteilung und der daraus folgenden Gewalttätigkeit in den persönlichen und politischen Beziehungen geschieht nicht dadurch, daß jetzt die Frauen an die Macht kommen, sondern dadurch, daß Männer und Frauen sich in ihrer Unterschiedlichkeit aufeinander bezogen erleben und verhalten."

Thea Bauriedl

Zwar ist seit Ende der 80er Jahre vermeintliche "Ruhe" an der Geschlechterfront eingekehrt, insofern Themen des "Geschlechterkampfes" kaum mehr öffentliche Aufmerksamkeit erlangen. Die herrschenden Männlichkeiten haben sich durch Machtzugeständnisse mehr oder weniger mit den nach gesellschaftlicher Teilhabe strebenden Frauen arrangiert. Die Auswirkungen der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung zeigen sich jedoch nach wie vor ungebrochen in unterschiedlichen Lebensrealitäten von Männern und Frauen und unter dem gegenwärtigen ökonomischen Druck in der Verschärfung der Ungleichheiten. Daneben finden im privaten Bereich weiterhin Gewaltübergriffe beider Geschlechter statt.

Die bestehende Sozialstruktur und die darin eingebundene Aufgabenverteilung zwischen den Geschlechtern hat zu ritualisierten Formen von Argumentations-, Handlungs- und Problemlösungsmustern geführt, die heute von zunehmend mehr Menschen in Frage gestellt werden. Die geschlechtsspezifischen Zwänge für Mann und Frau aufzuheben, könnte ein Ansatzpunkt sein für den Abbau von Herrschaft, Gewalt und Destruktivität in dieser Gesellschaft. Für Männer ließen sich so Auswege aus dem männlichen "Halbmenschentum" zugunsten eines befriedigenderen Lebens entwickeln. Frauen könnten an der Entwicklung von Strukturen mitwirken, um letztlich teilzuhaben an "der Hälfte der Erde, des Himmels und der Welt".

Im Rahmen der Politischen Bildung werden seit den 80er Jahren spezielle Angebote für Frauen veranstaltet, die inzwischen als selbstverständlich gelten. Wenngleich entsprechende Angebote für Männer noch selten sind, konnten sie mittlerweile den Status des Exotischen hinter sich lassen.

Orte hingegen, wo ein Dialog zwischen den Geschlechtern stattfindet und dessen politische Voraussetzungen und Wirkungen bedacht werden, gibt es weder gesellschaftlich noch in der Politischen Bildung. Ist der Dialog der Geschlechter eine Utopie?

Auf der Tagung "Eine Zukunft für Frauen und Männer" soll nach Antworten auf diese Frage gesucht werden. Zwischen geschlechtssensibilisierten und -bewußten Männern und Frauen wird über Voraussetzungen, Möglichkeiten und Perspektiven eines qualitativ neuen Verhältnisses zwischen den Geschlechtern nachgespürt und nachgedacht.

 

Hans-Joachim Lenz/Susanne Weissman