Dr. Jürgen Heinen-Tenrich, Landesverband der Volkshochschulen Niedersachsens e.V., Juni 2001


Fachtagung und Plenarsitzung der Konzertierten Aktion Weiterbildung (KAW)
„Qualitätsentwicklung in der Weiterbildung – politischer Handlungsbedarf"
(25./26. Juni 2001)

AG 1: Selbstevaluation/ Akkreditierung von Einrichtungen
Thesenpapier

Lernerorientierte Qualitätstestierung

Weiterbildungseinrichtungen in Deutschland praktizieren in unterschiedlicher Weise Verfahren und Instrumente der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung. Dabei sind eine Reihe von Konzepten und Strategien entwickelt worden, die mit dem hier vorzustellenden Modell zu einem für alle vergleichbaren und transparenten Testierungsverfahren gebündelt und verdichtet werden. Bereits praktizierte Ansätze und Prozesse von Qualitätsentwicklung können in ein solches Verfahren eingebracht und auf dem Wege einer Kompatibilitätsprüfung berücksichtigt werden.

Die Entwicklung und Erprobung dieses Qualitätsmodells ist Gegenstand eines von der BLK im Rahmen des Modellprogramms Lebenslanges Lernen geförderten Teilprojektes „Lernerorientierte Qualitätstestierung in Weiterbildungsnetzwerken".

Das Modell beruht auf Erfahrungen, die der Landesverband der Volkshochschulen Niedersachsens e.V. und ArtSet Institut für kritische Sozialforschung und Bildungsarbeit e.V. in vorherigen Qualitätsprojekten gemeinsam gemacht haben. Der vom Landesverband entwickelte und im Qualitätsring Niedersächsischer Volkshochschulen seit 1997 eingesetzte Fragenkatalog zur Selbstevaluation sowie ein mehrjähriges Forschungs- und Beratungsprojekt von ArtSet zur Organisations- und Qualitätsentwicklung an Volkshochschulen haben deutlich gemacht, dass einrichtungsindividuelle und vorwiegend selbstevaluative Prozesse ihre Stärke vor allem nach innen haben, während eine Außenwirkung und die Entwicklung überörtlicher und einrichtungsübergreifender Qualitätskriterien dabei häufig zu kurz kommen. Zwar ließen sich Problemfelder und Entwicklungsbedarfe für Weiterbildungseinrichtungen verallgemeinern, zu einem qualitätswertendem Vergleich zwischen den Einrichtungen reichen diese Verfahren allein nicht aus. Zudem gab es keine förmliche Bestätigung oder Anerkennung gelungener Qualitätsprozesse, die immer wieder eingefordert wurde. Auch vor diesem Hintergrund wurde das Qualität-Testierungsverfahren entwickelt.

Bei diesem Modell handelt es sich nicht um ein aus anderen Branchen übertragenes System, sondern um ein für die Weiterbildung und deren erwachsenenpädagogische Aufgabenstellung spezifisches Konzept. Die Qualitätstestierung ist dabei offen für alle Weiterbildungseinrichtungen.

Bei aller Anerkennung unterschiedlicher Strukturen, spezifischer Arbeitsprofile und regionaler Besonderheiten der einzelnen Weiterbildungseinrichtungen geht es um ein für alle adaptionsfähiges System, das

Prozessorientierung und Standardsicherung verknüpft

das Lernen der Organisation fördert und nicht bloß Erreichtes bestätigt

einen Kernkatalog verbindlicher Mindest-Qualitätsanforderungen vorsieht

Verbindlichkeit und Offenheit verbindet

vor allem ein Entwicklungsmodell und weniger ein Prüfmodell darstellt

einrichtungsspezifisch umzusetzen ist

interne und externe Evaluation kombiniert

eine öffentliche Anerkennung vorsieht.

Mit der Entwicklung einrichtungsübergreifender Mindestanforderungen, der Einführung von Verfahrenssteuerungen, dem Einüben von strukturierten Entwicklungsprozessen und der externen Evaluation mit einem abschließenden Testat werden sowohl in die Einrichtungen hinein als auch nach außen für die Öffentlichkeit und den Weiterbildungsinteressierten deutlich erkennbare und überprüfbare Qualitätsleistungen ausgewiesen.

Da Bildung letztendlich immer das Werk des einzelnen Menschen ist, sind alle Qualitätsbemühungen darauf zu richten, entsprechende Lernprozesse zu unterstützen und zu fördern. Das Konzept der lernerorientierten Qualitätstestierung konzentriert sich daher auf die Herstellung und Sicherstellung entsprechender Kontexte und Bedingungsfelder gelingenden Lernens.

Mit einem Leitbild erarbeitet die Weiterbildungseinrichtung ihre Konzeption gelingender Lernprozesse und weist dementsprechend ihre Aufgaben und Leistungsbeiträge aus. Sie entwickelt damit zugleich im Wege der internen Evaluation den Ausgangspunkt ihres eigenen Lernprozesses, der sie befähigen soll, den Anforderungen „ihrer" Lernenden gerecht zu werden.

Der Qualitätskreislauf liefert das Arbeitsmodell für den Entwicklungsprozess der Weiterbildungseinrichtung. Das Einüben der damit verbundenen Verfahrensweisen und der Umgang mit den entsprechenden Instrumenten bilden das Fundament für Qualitätsentwicklung und zielen auf die Befähigung zum selbstgesteuerten Organisationsentwicklungsprozess. Die Einrichtung und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden zu Autoren ihres eigenen Qualitätslernens.

Interne Evalua-
tion und Er-
stellung eines
Leitbildes

 

 

 

Maßnahme-
planung u.
-durch-
führung

 

 

 

Dokumenta-
tion des
gesamten
Prozesses
in einem
Selbstreport

 

 

 

Externe
Evaluation

 

 

 

Abschluss-
workshop
mit Aufstel-
lung von
Entwick-
lungszielen

Die Gegenstände und Themen der Qualitätsentwicklung ergeben sich aus dem Bedingungsgefüge gelingenden Lernens. Hierzu sind in Ausführung des obigen Schaubildes folgende 12 verpflichtende Qualitätsbereiche vorgegeben:

Zu jedem dieser Qualitätsbereiche werden in einer Arbeitshilfe Beschreibungen geliefert, die einzelnen Bestandteile/Komponenten genannt, Mindestanforderungen formuliert und Nachweismöglichkeiten aufgeführt, die die Erfüllung dokumentieren. Die konkrete Ausgestaltung und inhaltliche Füllung ist Aufgabe der einzelnen Einrichtung, sie verfügt im Rahmen der Mindestanforderungen über einen Gestaltungsspielraum, der auch hier auf die selbstverantwortete einrichtungsspezifische Autorenschaft setzt. So muss beispielsweise die Einrichtung im Qualitätsbereich „Controlling" selber eigene Kennzahlen bilden und bewerten. Was sie allerdings erarbeitet und als Qualitätsziel festgelegt hat, ist am Ende Gegenstand einer externen Prüfung und Evaluation.

Dies verweist auf das dritte Bauelement der Testierungsarchitektur. Die Einführung des Qualitätskreislaufes sowie die Entwicklung und Erfüllung der Qualitätsanforderungen unterliegen einer externen Evaluation durch Gutachterinnen/Gutachter einer unabhängigen, nicht-staatlichen Testatinstanz. Sie evaluieren den Qualitätsentwicklungsprozess der Einrichtung auf der Grundlage der von dieser selbst erarbeiteten, im Selbstreport dokumentierten Ergebnisse. Die Weiterbildungsorganisation vereinbart zum erfolgreichen Abschluss weitere Entwicklungsziele für die nächsten drei Jahre, die dann wiederum in der Re-Testierung evaluiert werden. Die Testierung ist kostenpflichtig.

Die Testatinstanz ist aber nicht nur Evaluationseinrichtung, sondern berät und unterstützt die Einrichtungen auch in ihrer Qualitätsentwicklung. Prozessbegleitung und Begutachtung werden allerdings streng getrennt und sind nicht von der gleichen Person wahrzunehmen. Weiterbildungseinrichtungen können auch andere Formen der Prozessbegleitung beispielsweise durch wechselseitige Kollegialberatung praktizieren.


Dr. Jürgen Heinen-Tenrich, Selbstevaluation/ Akkreditierung von Einrichtungen - Thesenpapier. Online im Internet – URL: http://www.die-frankfurt.de/esprid/dokumente/doc-2001/heinen-tenrich01_01.htm
Dokument aus dem Internet-Service Texte Online des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung e. V. – http://www.die-frankfurt.de