Alexandra Ioannidou die_logo1a.gif (1181 Byte) Oktober 2001


Aus Momentaufnahmen einen Film machen

Measuring Lifelong Learning

„What we have now is a collection of ’pictures’ on various aspects of education and training. We should try to make ‘a movie’ out of these pictures". Einen Film aus einzelnen Bildern und Momentaufnahmen herzustellen – Das, was Ni Cheallagh vom CEDEFOP so treffend in einfache Worte gekleidet hat, stellt angesichts des Konzeptes vom lebenslangen Lernen eine große Herausforderung für die Bildungsstatistiker dar. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch besonders in Europa. Das ist das augenscheinlichste Ergebnis eines Seminars des European Advisory Commitee on Statistical Information in the Economic and Social Spheres, kurz CEIES, das im italienischen Parma stattfand. Das CEIES ist ein nutzerorientierter Ausschuß, der vor zehn Jahren gegründet wurde. Seine Aufgabe ist es, die Kommission und die Mitgliedsstaaten in Fragen der statistischer Informationen im Wirtschafts- und Sozialbereich zu beraten. Über 80 Teilnehmer/innen aus vielen europäischen und außereuropäischen Ländern diskutierten zwei Tage lang – am 25. und 26. Juni - in der historischen Universität der Stadt über die Möglichkeiten der Messung Lebenslangen Lernens. Teilnehmer/innen und Referenten/innen kamen aus Institutionen der Europäischen Union, wie z.B. Eurostat oder CEDEFOP, wie auch aus internationalen Organisationen wie z.B. der OECD und der Unesco. Vertreten waren außerdem auch nationale statistische Behörden, unabhängige Forschungsinstitute, Vertreter der Wirtschaft sowie Organisationen und Verbände auf nationaler wie auch europäischer Ebene, z.B. die European Association for the Education of Adults (EAEA), Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände.

Das Seminar, das von CEIES in Kooperation mit Eurostat und der Directorate-General for Education and Culture (DG EC) organisiert wurde, sollte Produzenten und Nutzer von Statistiken zusammenbringen um Meinungen zu folgenden drei Fragestellungen auszutauschen:

1. Welche Konsequenzen bringt das Konzept vom lebenslangen Lernen für die statistische Sammlung von Informationen auf institutioneller und individueller Ebene? Dabei sollten nicht nur Lernaktivitäten innerhalb des formalen Bildungssystems berücksichtigt werden, sondern besonders auch nicht-formale Bildung und informelles Lernen. Davor steht aber die schwierige Aufgabe, sich über Definitionen und Klassifikation von Lernaktivitäten zu verständigen. Erst dann kann man sie statistisch operationalisieren.

2. Wie kann der Bedarf an verlässlichen und vergleichbaren statistischen Daten bezüglich lebenslangem Lernen in Zukunft – der insbesondere aus der Bildungspolitik und der Wirtschaft geäußert wird - besser gedeckt werden? Welche vorhandenen Quellen können genutzt werden und wo müssen sie erweitert werden?

3. Welche Methoden und Indikatoren sind am besten geeignet, um Lernprozesse außerhalb der traditionellen Lernarrangements, wie z.B. selbstgesteuertes Lernen, Lernen am Arbeitsplatz usw. zu messen und zu bewerten?

Folgerichtig war das Seminar thematisch in drei Blöcke unterteilt: 1. Informationen, Definitionen und Klassifikationen; 2. Fragestellungen und Probleme; 3. Künftiger Bedarf. In insgesamt fünf Plenarsitzungen hatten Produzenten und Nutzer von Statistiken die Möglichkeit, ihre unterschiedlichen Sichtweise und Forderungen auszutauschen. Die Ergebnisse der Beratungen lassen sich – in sehr konzentrierter Form – wie folgt zusammenfassen:

1. Die Kommission und Mitgliedsstaaten der EU haben sich in ihrer Definition festgelegt. In ihrem Memorandum über Lebenslanges Lernen wird es beschrieben als „jede zielgerichtete Lerntätigkeit, die einer kontinuierlichen Verbesserung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Kompetenzen dient" (S.3). Die Eurostat-Taskforce zur Messung des LLL, die laut ihrem Gründungsauftrag Vorschläge erarbeiten soll, wie das LLL gemessen werden kann, hat zielgerichtete Lernprozesse in drei Kategorien unterteilt: „Formale Bildung" – Also Bildung, die in Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen stattfindet und zu anerkannten Abschlüssen führt; „Nicht formale Bildung" – Bildung, die außerhalb der allgemeinen beruflichen Bildung stattfindet, aber nicht unbedingt zu einem formalen Abschluss führt; und informelles Lernen, also das, was wir natürliche Begleiterscheinung des täglichen Lebens nennen würden.

Die UNESCO hat im „Manual on Non Formal Education" Kriterien vorgeschlagen, nach denen die verschiedenen Bildungs-/Lerntypen unterschieden werden können, z.B. nach Zweckbestimmtheit, Organisationsform und Zulassungsvoraussetzungen. Auch im Glossar der internationalen Standardklassifikationen für das Bildungswesen (ISCED 97) werden die Begriffe „formale" und „nicht-formale" Bildung definiert.

Der erste Schritt bei der Messung von Lebenslangem Lernen besteht also darin, Lernaktivitäten genau zu definieren, sie zu klassifizieren und sie von anderen Aktivitäten abzugrenzen, um sie in einem zweiten Schritt statistisch operationalisierbar zu machen. Das heißt, sich auf die Suche nach geeigneten Indikatoren begeben, die als Hilfsgrößen für Sachverhalte herangezogen werden, die man nicht direkt messen kann. Allgemein wurde darauf jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nicht alle Aspekte des lebenslangen Lernens messbar sind.

2. Bei der zweiten thematischen Einheit – bei der es um „Fragen und Probleme" ging – wurden verschieden Probleme aus europäischen Ländern, wie z.B. Großbritannien, Italien, Frankreich und Finnland vorgestellt. Aber auch EU-Vorhaben, wie das gemeinsam von CEDEFOP und EUROSTAT geplante Projekt für die Entwicklung einer harmonisierten Liste von Lernaktivitäten wurden referiert und gleichzeitig auf mögliche auftretende Probleme aufmerksam gemacht. Mehrmals wurde auf die fehlende Verfügbarkeit der Daten, aber auch auf deren Vergleichbarkeit aufmerksam gemacht. Als problematisch erwiesen sich darüber hinaus Informationslücken und Diskrepanzen bei den verschiedenen Typen von Untersuchungen (z. B zwischen household surveys und firm surveys). Nicht zuletzt erwiesen sich die unterschiedlichen institutionellen Strukturen in den verschiedenen Ländern als äußerst problematisch.

Die größten Schwierigkeiten – die gleichzeitig die größten Herausforderungen darstellen – ergaben sich jedoch bei der Eingrenzung des lebenslangen Lernens und seiner Messbarkeit. Es soll eine detaillierte Landkarte von Lernaktivitäten entwickelt werden, die anschließend klassifiziert und schließlich auf ihre Messbarkeit hin überprüft werden sollen. Bei der Entwicklung geeigneter statistischer Methoden für die Messung von LLL besteht grundsätzlich die Wahl zwischen einem „bottom up approach" und einem „top down approach". Also die Wahl zwischen einer schrittweisen Erweiterung vorhandener Statistiken durch Aspekte des Lebenslangen Lernens auf der einen Seite und einer Annäherung und Einigung über das zu untersuchende Feld und einer darauf aufbauenden Entwicklung von Untersuchungsinstrumenten auf der anderen Seite.

Im Falle des lebenslangen Lernens wird eine Kombination aus beiden Methoden angestrebt.

3. Bei der dritten thematischen Einheit ging es um die Formulierung zukünftiger Bedarfe. Vorhandene Statistiken waren bisher ökonomisch orientiert. Lebenslanges Lernen sollte aber auch in seinen sozialen, kulturellen, personellen und technologischen Aspekten betrachtet werden. Der Schwerpunkt liegt nunmehr auf dem Individuum, das als die beste Informationsquelle in Bezug auf das Lebenslange Lernen gilt. Der Aktionsplan für die kommenden Jahre sieht vor, vorhandene Quellen besser zu nutzen, bereits existierende Statistiken mit Modulen zum LLL zu erweitern, quantitative und qualitative Methoden zu kombinieren und möglichst schnell Indikatoren zu definieren. Darüber hinaus sollen Informationslücken auf „schwierigen" Gebieten, wie z.B. Finanzierung und Wirksamkeit von LLL etc., geschlossen werden sowie neue Formen von Lernen, wie z.B. e-learning mit berücksichtigt werden. Es ist zwar notwendig Daten auf lokaler bzw. regionaler Ebene zu erheben; die zu erwartenden Kosten für die Erhebung wirken aber eher abschreckend. Generell gilt, dass immer mehr und größere Aufgaben mit immer weniger finanziellen Mitteln bewerkstelligt werden sollen.

Abschließend ist festzuhalten, dass sich alle Teilnehmer/innen und Referenten/innen darüber einig waren, dass statistische Beschreibungen niemals die perfekte Abbildung der Realität darstellen können. Es kann also auch nie ein perfektes System geben, das uns erlaubt, alle Lernaktivitäten zu messen. Es gibt aber bestimmte Methoden und Wege, die zunächst zwar kompliziert erscheinen, aber am Ende wahrscheinlich dennoch zu einfachen Lösungen führen werden. Oder, um es mit Antoine de Saint Exupéry zu sagen: „Technology’ s development proceeds from primitive via complicated to simple solutions".

 


Alexandra Ioannidou, Aus Momentaufnahmen einen Film machen. Online im Internet – URL: http://www.die-frankfurt.de/esprid/dokumente/doc-2001/ioannidou02_01.htm
Dokument aus dem Internet-Service Texte Online des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung e. V. – http://www.die-frankfurt.de