Dr. Klaus Meisel,die_logo1a.gif (1181 Byte), Juni 2001


Fachtagung und Plenarsitzung der Konzertierten Aktion Weiterbildung (KAW)
„Qualitätsentwicklung in der Weiterbildung – politischer Handlungsbedarf"
(25./26. Juni 2001)

AG 3: Teilnehmerschutz/ Anbieterqualität
Thesenpapier

Inhaltsverzeichnis Seite

 

1. Allgemeine Trends

Der Weiterbildungssektor ist ein in mehrfacher Hinsicht gespaltener Weiterbildungsmarkt.

Der Anbietermarkt entwickelt sich immer mehr zu einem Nachfragemarkt.

Die Lehr- und Lernformen differenzieren sich hinsichtlich Inhalte, Zielgruppen/Milieus, Lernorganisationsformen, Stellenwert der Medien, Grad der didaktischen Inszenierung, etc. aus.

Der Weiterbildungsmarkt ist hochdynamisch und durch eine vergleichsweise hohe Innovationsquote sowie z.T. wechselnde und sich zunehmend vernetzende Akteure gekennzeichnet.

Flankierende Support- und Serviceangebote werden immer stärker zum integralen Angebot der Weiterbildungseinrichtungen.

Die Weiterbildung ist in verschiedener Hinsicht durch eine Entgrenzung und Enttraditionalisierung gekennzeichnet.

Der privat aufgebrachte Anteil an den Weiterbildungskosten steigt.

 

2. Trends im Qualitätsmanagement in der Weiterbildung

Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung ist eng - auch historisch gesehen - mit der Organisations- und Professionsentwicklung in der Weiterbildung verbunden.

In bezug auf die Bedeutung der unterschiedlichen Qualitätssicherungsstrategien hat sich die Schnittstelle von der staatlichen Ordnungspolitik (z.B. gesetzliche Vorgaben) in Richtung Marktstrategien (z.B. Zertifizierung im Markt, Angebotstests) verschoben.

Das Qualitätsmanagement von Weiterbildungseinrichtungen ist mehr denn je auf die Nachfrager und Interessenten ausgerichtet, will aber auch die Spezifik der „sozialen Dienstleistung Weiterbildung" berücksichtigen.

Auf den unterschiedlichen „Märkten" greifen unterschiedliche Strategien (z.B. im Rahmen der SGB-geförderten Weiterbildung; öffentlich anerkannte Weiterbildung (Weiterbildungsgesetze); in der beruflich betrieblich orientierten Bildung ISO; in der allgemeinen Weiterbildung EFQM-Adaptionen und Selbstevaluationsformen, beim Fernunterricht (gesetzlich vorgeschriebenes Prüfverfahren) etc.).

Es gibt bislang keine einheitliche Qualitätspolitik (Qualitätssicherung im Verbund (Hamburg); Evaluation (Niedersachsen); Überprüfung induktiv erstellter Qualitätskonzepte (Bremen); etc.).

Übergreifend setzen Qualitätsentwicklungsprozesse der Einrichtungen in der Regel an den für den Nachfrager relevanten Qualitätsbereiche, den erwachsenenpädagogischen Schlüsselsituationen, den Schlüsselprozessen der Organisation und der Personalentwicklung an.

 

3. Teilnehmerschutz versus Anbieterqualität?

Die Alternative existiert in der Weise natürlich nicht, da sich die Aktivitäten zum „Teilnehmerschutz" auf der Anbieterseite widerspiegeln und umgekehrt, es handelt sich um zwei Seiten einer Medaille.

In der Regel sind die Anstrengungen der Anbieter zur Entwicklung und Implementation von Qualitätsentwicklungsmaßnahmen auf den Schutz der Teilnehmenden gerichtet.

Bildungstests wirken nicht nur auf potentielle Nachfrager sondern wirken auch auf die Einrichtungen.

Die Absichten und Realisierung des Teilnehmerschutzes und der Anbieterqualität sind jeweils auf ihre Reichweite und Grenzen der Wirkung zu untersuchen.

Bildungstests analog der Aktivitäten von Stiftung Warentest haben neben der Aussage über ein Einzelangebot auch eine weitergehende Wirkung: sie regen Qualitätsdiskussionen und -initiativen an.

Sie haben aber auch Grenzen. Vor dem Hintergrund der Pluralisierung und Individualisierung in der Weiterbildung kann es aber nur schwerlich „objektiv" vergleichende Untersuchungen geben, und der pädagogische Prozess lässt sich in seiner Qualität nur schwerlich messen. Bildung wird nicht im herkömmlichen Sinne verbraucht.

Die Ergebnisdarstellung sollte die Reichweite herausstellen, um „missbräuchlichen" Umgang mit den Ergebnissen einzuschränken.

Einrichtungsbezogene Qualitätsentwicklung zeigt sich dann begrenzt, wenn sie durch eine ausgeprägte Binnenorientierung gekennzeichnet ist.

4. Ziele und Perspektiven

Ziele der Qualitätspolitik in der Weiterbildung lassen sich übergreifend vernünftig nur formulieren, wenn man die Qualitätsprobleme aus der Perspektive der Nachfragenden beschreibt.

Zu Maßnahmen aus der Perspektive des Nachfragenden gehören:

- Mangelnde Transparenz: Auf regionaler Ebene sind Instrumente (weiter)zu entwickeln, die den Nachfragern einen Überblick über das Angebot verschafft. Information und Beratung ist einrichtungsübergreifend bereitzustellen. Die Aktivitäten und Formen zur Schaffung einer Angebotstransparenz haben sich in den letzten Jahren punktuell und regional unterschiedlich entwickelt. Es bedarf einer synoptisch orientierten Bestandsaufnahme und einer wissenschaftlich fundierten Bewertung der Reichweite (z.B. Messen, Datenbanken, Kataloge, Lernfeste).

- Verbraucherorientierte Voraussetzungen von Bildungsqualität: Solche Initiativen (wie z.B. Bildungstests) sollten in erster Linie auf die Sicherstellung der redlichen, glaubwürdigen Information, die begleitenden Support- und Servicemaßnahmen, die verbraucherfreundliche Gestaltung der Verträge und die erwachsenenpädagogische Rahmenbedingungen (Qualifikation des Pädagogen, Ausstattung, Materialien, Medien, evtl. Abschluss, etc.) zielen.

- Förderung des Qualitätsbewusstseins bei den Nachfragenden: Auf der Nachfragerseite fällt es schwer, Qualitätskriterien an Weiterbildungsveranstaltungen/-dienstleistungen zu formulieren. Dies kann durch trägerübergreifende Informationen und Denkanregungen (z.B. BIBB, DIE (Mitwirkung von Arbeit und Leben, DEAE, DVV/VHS, KBE) unterstützt werden. Dabei geht es Klärung der eigenen Ziele und Motive, Lernvoraussetzungen und Ressourcen; Kriterien der Qualität der Angebotsinformation (schriftliche Information, persönliche Beratung, Räume, Abschluss); Qualität des Weiterbildungsangebots (Veranstaltungsbeschreibung, Service/Beratung, Lernort, Lernbedingungen, Qualifikationen des pädagogischen Personals, Lernkultur, Lernerfolgskontrolle); Qualität der Einrichtung (Seriosität, Leitung, Personal, Beschwerdemanagement, etc.); Weiterbildungsvertrag (Anmeldeform, Zahlungsweise, Kosten, Rücktrittsbedingungen). Die Erfahrungen mit den Checklisten sind auszuwerten und möglicherweise zu überarbeiten. Die Selbstverpflichtung der Einrichtungen ist unterschiedlich ausgeprägt. Die Förderung und Unterstützung der Urteilsbildung bei den Adressaten und Interessenten soll deren unabhängige Beurteilungs- und Entscheidungskompetenz fördern.

Zu Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Anbieterqualität gehören:

- Weiterentwicklung der Anbieterqualität: Die Anbieterqualität kann sich für den Nachfragenden bislang nur unzureichend erschließen. Bei der Anerkennung durch das jeweilige Land, ist in der Regel für den Nachfrager nicht erkennbar, nach welchen Kriterien diese Anerkennung erfolgt. Dies gilt ebenso für Vermarktungen von privatwirtschaftlichen Anerkennungen (z.B. Microsoft). Was sich mit ISO-zertifizierten oder EFQM-orientierten Anbietern verbinden lässt, bleibt für den normalen Nachfrager ebenso ein Geheimnis. Die zahlreichen und vielfältigen induktiven, auf Selbstevaluationsprozesse angelegten Qualitätsentwicklungsprozesse von Anbietern lassen sich gegenüber Nachfragern nur schwerlich kommunizieren. Seitens der Einrichtungen selbst sollte deshalb die offensive Kommunikation deren Qualitätspolitik verstärkt werden, um zu verdeutlichen, was sich hinter den Anerkennungen, Zertifizierungen etc, verbirgt. Eine solche an den Nachfrager gerichtete offensive Kommunikation kann Glaubwürdigkeit und berechtigtes Vertrauen eher vermitteln, wenn es sich in einem gemeinsamen Strukturmodell beschreiben lässt.

- Gemeinsames Strukturmodell: Ein solches gemeinsames Strukturmodell hätte folgenden Kriterien zu berücksichtigen:

Die Entwicklungschancen eines solchen Systems erhöhen sich, wenn folgende Prinzipien/Elemente berücksichtigt werden:

 

5. Kontext

Die Qualitätssicherung und -entwicklung im Weiterbildungsbereich muss in ihrer Komplexität wahrgenommen werden. Je nachdem aus welcher thematischen Perspektive die Beiträge zur Qualitätsdebatte in der Weiterbildung eingebracht werden, besteht zugleich die Gefahr dass ein erweiterter Blick auf weitere „Stellschrauben" der Qualitätsförderung verstellt wird. Bei allen Anstrengungen zum Teilnehmerschutz oder zur Anbieterqualität wird damit noch nicht automatisch die Systemqualität der Weiterbildung gefördert. Eine andere Stellschraube stellt die Förderung der Professionalität in der Weiterbildung dar. Es sind in erster Linie , die praktisch tätigen Lehrenden, Kursleiter, Lernbegleiter und Lernberater, die an der „Qualitätsbildung" im doppelten Sinne beteiligt sind. Die Pluralisierung und Herausbildung neuer Lehr- und Lernkulturen verlangen nach übergreifenden Initiativen zur Professionalitätsförderung - ein unverzichtbares Element von Qualitätspolitik in der Weiterbildung.


Dr. Klaus Meisel, Teilnehmerschutz/ Anbieterqualität - Thesenpapier. Online im Internet – URL: http://www.die-frankfurt.de/esprid/dokumente/doc-2001/meisel01_01.htm
Dokument aus dem Internet-Service Texte Online des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung e. V. – http://www.die-frankfurt.de