Alfred Töpper, Stiftung Warentest, Juni 2001


Fachtagung und Plenarsitzung der Konzertierten Aktion Weiterbildung (KAW)
„Qualitätsentwicklung in der Weiterbildung – politischer Handlungsbedarf"
(25./26. Juni 2001)


AG 3: Teilnehmerschutz/ Anbieterqualität
Thesenpapier

Inhaltsverzeichnis Seite

I. Dimensionen Beruflicher Weiterbildung

Die gegenwärtige wissenschaftliche und politische Neubestimmung von Weiterbildung im Sinne von "lebenslangem Lernen" vollzieht sich konkret vor dem Hintergrund zweier Tendenzen: die zunehmende individuelle Notwendigkeit lebenslangen Lernens und die Schwierigkeit, institutionell Weiterbildungsinhalte mittel- und langfristig adäquat zu planen. Hiermit sind gänzlich neue Herausforderungen an Bildungssysteme, Lehrende und Lernende verbunden, wie: neue Lern- und Lehrkulturen, stärkeres Lernen in Modulen in einzelnen "Bildungsphasen", höhere Flexibilität, tätigkeits- und projektorientiertes Lernen, aber auch

· Höhere Qualitätsanforderungen an die Lehrenden

Die Individualisierung der Lernentscheidung und die schnelle Herausbildung neuer Berufs- und Tätigkeitsfelder stellen auch an die Lernfähigkeit der Lehrenden und die Bildungseinrichtungen selbst neue Herausforderungen. Qualitätsentwicklung in den Weiterbildungseinrichtungen bedeutet deshalb nicht nur eine möglichst genaue und schnelle Bestimmung gesellschaftlich und individuell relevanter Weiterbildungsinhalte. Der Vielfalt von Lerninhalten und Lernformen ist durch eine entsprechende Organisations- und Mitarbeiterentwicklung kontinuierlich Rechnung zu tragen.

· Höhere Eigenverantwortlichkeit

Sich schneller verändernde Qualifikationsanforderungen am Arbeitsplatz, die rasante Entwicklung neuer Tätigkeits- und Berufsbilder, fachübergreifende Projektarbeit, interkulturelle Zusammenarbeit und der Anstieg befristeter Arbeitsverhältnisse verlangen zunehmend eine stärkere Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen für seine berufliche Weiterbildung. Zukünftig wird eine kontinuierliche Reflexion möglicher Qualifikationsdefizite und die Bereitschaft, diese durch Weiterbildung/Lernen zu beseitigen, von zentraler Bedeutung sein.

· Neues Verhältnis zwischen Individuum und Weiterbildungseinrichtung

Wenn davon auszugehen ist, dass notwendige Weiterbildungsinhalte in großen gesellschaftlichen Zusammenhängen schwerer planbar sind, wird auch die institutionalisierte Weiterbildungsplanung und -steuerung sich stärker am Bedarf des einzelnen Individuums orientieren müssen. Dies erzwingt ein grundlegend neues Verhältnis zwischen Nachfragern und Weiterbildungseinrichtungen.

Die Durchsetzung dieses neuen Typs von Weiterbildung im Sinne von "lebenslangem Lernen" und die Bewältigung der damit skizzierten Herausforderungen kann nur dann gelingen, wenn sich eine grundlegende Neu- bzw. Umorientierung sowohl im Bereich der institutionalisierten Weiterbildung als auch bei TeilnehmerInnen selbst vollzieht:

1. Die erwerbsfähigen Erwachsenen müssen bereit sein, Verantwortung für die Planung und Organisation ihrer Weiterbildung zu übernehmen. Sie müssen allerdings auch in der Lage sein, eine souveräne Bildungsentscheidung treffen zu können.

2. In den Einrichtungen der institutionalisierten Weiterbildung ist ein neues Verständnis von Qualität und Qualitätsentwicklung vonnöten, das sich an den Verbrauchern orientiert. Bisherige Ansätze der Qualitätsentwicklung sind dabei nicht zu vernachlässigen, sondern mit dem Blickwinkel auf die Nachfrager neu zu denken und zu bündeln.

Um für die Bewältigung dieses Entwicklungsprozesses die entsprechenden Bedingungen herzustellen, sind folgende Voraussetzungen zu schaffen und entsprechende Defizite zu beseitigen:

· Transparenz

Voraussetzung für mehr Wettbewerb im Bildungsmarkt und für mehr Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen ist eine stärkere Markttransparenz. Den Nachfragern fehlen für eine rationale Weiterbildungsentscheidung vielfach Informationen zu den konkreten Angeboten, Preisen und qualitätsrelevanten Informationen, um einen Vergleich der Angebote durchführen und entsprechend des individuellen Bildungsbedarfs auswählen zu können.

· Qualitätssicherung aus Verbrauchersicht

Verbraucherschutz als zentraler Qualitätsanspruch in bezug auf die eigene Bildungsdienstleistung hat in den Einrichtungen der institutionalisierten Weiterbildung bisher einen zu geringen Stellenwert. Die Weiterbildungseinrichtungen müssen ihre Ansprüche an Qualität für die Verbraucher transparent machen, ihnen Maßstäbe an die Hand geben, woran die Qualität ihrer Bildungsdienstleistung durch den Einzelnen gemessen werden kann.

· Bereitstellung einer Vielfalt von Lerndienstleistungen

Mit der sich entwickelnden Vielfalt der (individuellen) Lernnotwendigkeiten und -bedürfnisse muß der Einsatz eines breiten Spektrums neuer Lern- und Lehrmethoden in der institutionalisierten Weiterbildung ein stärkeres Gewicht finden.

Den genannten Stichworten läßt sich entnehmen, dass sowohl Teilnehmer-/innen als auch Anbieter zukünftig stärker gefordert sind.

 

II. Funktion und Wirkung von Bildungstests

Bildungstests könnten einen wichtigen Beitrag leisten, um die notwendige Sicherstellung der Qualität und Effizienz bezüglich des wachsenden Bildungsmarktes zu gewährleisten.

So wurde in den Jahren 1992-1994 eine vom damaligen Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft finanzierte Untersuchungsreihe "Weiterbildungsqualität: Märkte und Akteure in den neuen Bundesländern" realisiert, um verschiedenste Bildungsangebote und –anbieter zu untersuchen und vergleichend zu bewerten. Das Untersuchungsdesign bezog sich u.a. auf berufliche Anpassungs- und Aufstiegsfortbildungen im EDV- und im kaufmännischen Bereich. Innerhalb der Untersuchungsreihe wurden verschiedenste Untersuchungsmethoden entwickelt und eingesetzt. Zu nennen sind hier u.a.: Inhaltsanalysen des Informationsmateriales, die Überprüfung der Beratungsqualität, verdeckte teilnehmende Beobachtungen, Klassenzimmerbefragungen, Anbieterbefragungen, die Überprüfung von Gebäude, Lage, Ausstattung und Personal, die Untersuchung von existierenden Qualitätssicherungssystemen der Anbieter und eine rechtliche Überprüfung der Verträge mit den Teilnehmern.

Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden in mehreren Ausgaben der Zeitschriften test der STIFTUNG WARENTEST veröffentlicht und auf Fachtagungen zur Diskussion gestellt. Diese Untersuchungsreihe hat gezeigt, dass

Transparenz geschaffen werden kann und Kriterien für eine qualitätsorientierte Auswahl entwickelt werden können,

es möglich ist, Anbieter und Angebote vergleichend zu untersuchen,

eine "heilsame Unruhe" auf dem Markt geschaffen und der Markt nachhaltig positiv beeinflußt werden kann,

die Position der Verbraucher gestärkt werden kann,

- eine Institutionalisierung von Verfahren bezüglich Bildungstests möglich ist.

An diese Erfahrungen anknüpfend laufen derzeit weitere Untersuchungen. Diese Untersuchungen bringen darüber hinaus Erkenntnisse, wie gänzlich neue Felder der Bildung für eine Qualitätsprüfung erschlossen werden können.

Die bisherigen Untersuchungen und ihre Veröffentlichungen haben insbesondere die Machbarkeit von Qualitätsvergleichen zur Schaffung von Transparenz belegt. Auch die Ergebniswirkung der Veröffentlichungen läßt sich positiv bewerten. Gemessen an den beschriebenen Veränderungen und damit verbundenen neuen Anforderungen stellen sporadisch vergleichende Untersuchungen im Bildungsbereich allerdings keinen angemessenen Beitrag dar. Allein die rein quantitative Betrachtung des gegenwärtigen Angebotumfanges zeigt den verstärkt notwendigen Handlungsbedarf. Um die Transparenz des Weiterbildungsmarktes zu erhöhen, könnten branchenübergreifende Weiterbildungsdatenbanken im Internet oder die Bildungsserver von Bund und Ländern hilfreich sein und geeignet weiterentwickelt werden. Hinzu kommen vielfältige neue qualitative Aufgaben und Herausforderungen.

Doch wie groß sind die zu leistenden Aufwendungen, um die gesteckten Ziele – die noch konkret zu definieren sind – so effizient wie möglich zu erreichen? Wer kann bzw. soll diese Aufgaben wahrnehmen? Welche Organisationsstruktur und welche Ressourcen sind hierfür nötig? Wie kann eine Akzeptanz bei allen Beteiligten – insbesondere bei den Verbrauchern – erreicht werden?

Hier sind unterschiedlichste Modelle denkbar, wie zum Beispiel die Gründung einer "Stiftung Bildungstest" zur Förderung von Markttransparenz und Qualitätsentwicklung und zur Beantwortung von Forschungsfragen oder die Durchführung von Bildungstests durch bzw. analog der STIFTUNG WARENTEST. Unabhängig von einem Organisationsmodell sind allerdings Grundanforderungen wie

· Akzeptanz

· Unabhängigkeit,

· Transparenz,

· Kompetenz

zu stellen.

 

III. Ansiedelung der Schwerpunkte der Qualitätsentwicklung

Der Schwerpunkt der (politischen) Bemühungen um Qualitätsentwicklungen muß beim Anbieter liegen. Dieses kann sich über verschiedenste Aktivitäten erstrecken. Um eine rationale Weiterbildungsentscheidung treffen zu können, sind die Qualitätsansprüche der Anbieter transparent zu machen. Die Qualität muß für den Einzelnen gemessen werden können, und Information und Beratung darf nicht formal mit Blick auf die Bildungsangebote der Anbieter, sondern muß am Bedarf des Kunden orientiert sein. Selbstverständlich ist auch mehr Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen gefordert. Hierzu sind aber noch wichtige Voraussetzungen zu schaffen, wie die Qualitätsbewertung der Anbieter und Angebote und die Information der Verbraucher, um durch Schaffung von Transparenz den nötigen Handlungsdruck zu erzeugen.


Alfred Töpper, Teilnehmerschutz/Anbieterqualität - Thesenpapier. Online im Internet – URL: http://www.die-frankfurt.de/esprid/dokumente/doc-2001/toepper01_01.htm
Dokument aus dem Internet-Service Texte Online des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung e. V. – http://www.die-frankfurt.de