Annegret Baumeister-Bruns, Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen, Juni 2001


Fachtagung und Plenarsitzung der Konzertierten Aktion Weiterbildung (KAW)
„Qualitätsentwicklung in der Weiterbildung – politischer Handlungsbedarf"
(25./26. Juni 2001)

AG 2: Qualitätsentwicklung und Förderbedingungen
Thesenpapier

Was ist Qualität?

Themen wie Qualität und Qualitätssicherung oder Qualitätsmanagment und Qualitätssteuerung, Qualitätsstandards und Qualitätskriterien werden seit etlichen Jahren überall intensiv diskutiert. Der neudeutsche Begriff des „Total Quality Managments" bzw. abgekürzt TQM macht ebenfalls seit geraumer Zeit die Runde. Der Begriff Qualität ist in aller Munde. Man kann sich „Qualität" auch schlecht widersetzen; denn wer ist schon gegen Qualität oder hält sie für unwichtig? Doch was ist Qualität genau? Vor allem, wie definiere ich Qualität in der Berufsbildung? Sind die Kriterien hierfür identisch mit den Kriterien beispielsweise in der Margarineherstellung oder Autoproduktion? Wäre es nicht wunderbar, wenn ein „Qualitätsführer für Bildungsmaßnahmen" existieren würde? Es gibt ja schließlich Hotel- und Restaurantführer, die über die Zahl von Sternen oder Kochmützen die Qualität der Betten oder des Essens „bemessen".

Übrigens: Ist Qualität wertfrei? Entzieht sie sich subjektiven Maßstäben, irgendwelchen Modeerscheinungen oder nicht?

Fragen über Fragen, die darauf hin deuten, wie komplex das Thema Qualität ist, und dass es auch hier – wie bei anderen Themen - darauf ankommt, zunächst zu definieren, was unter dem Begriff verstanden wird.

 

Qualitätsbegriff in der Berufsbildung

Die nationalen europäischen Bildungssysteme definieren Qualität häufig über die vorhandenen institutionellen Strukturen. Konsequenz ist, dass für jedes Land eine andere Art von Qualität wesentlich ist.

In Großbritannien beispielsweise ist die berufliche Bildung weitgehend marktgesteuert bzw. stark arbeitgeberseitig ausgerichtet. „Ausbildungsziel" ist die Vermittlung von Kompetenzen, die sich eng auf ganz konkrete Arbeitsanforderungen beziehen. Allgemeingültige Qualitätsnormen existieren nicht. Man orientiert sich an betrieblichen „good practices". Interne Kontrollsysteme sollen die Ausbildungsqualität sichern helfen.

Ausgehend von dieser sehr liberalen Qualitätsbetrachtung, könnte man in Italien bereits von einer öffentlichen Qualitätssteuerung sprechen; denn die berufliche Bildung fällt überwiegend in die Zuständigkeit regionaler, kommunaler Instanzen. Jeder Vorschlag jedoch, landesweite Normen einzuführen, löst hier kleine Staatskrisen aus.

In Frankreich und Deutschland hingegen spielen externe Kontrollmechanismen in der Berufsausbildung eine sehr große Rolle, wenn auch vor dem Hintergrund unterschiedlicher Ausbildungssysteme. In Frankreich findet die Berufsausbildung überwiegend in schulischer Form statt. Die Qualitätsprüfung obliegt daher dem Bildungsministerium und seinen regionalen Dienststellen. In Deutschland kennen wir das duale Berufbildungssystem, d.h. die betriebliche Ausbildung überwiegt. Sie wird dabei unterstützt durch die Berufsschule. Aufgrund dessen wurde die Qualitätsthematik den Kammern als öffentliche Aufgabe übertragen (BBiG). Daneben haben auch die Sozialparteien ein gewichtiges Wort in Fragen der Berufsbildungspolitik. Sie bestimmen maßgeblich die qualitativen Mindeststandards für den betrieblichen Teil der Berufsausbildung. Hierdurch sind die Standards für den schulischen Teil (Berufsschule) bereits vorstrukturiert. „Abgesegnet" wird das Ganze schlussendlich noch vom Gesetzgeber, so dass wir in Deutschland auf viele Regularien treffen. Es werden die sog. Input-Standards wie Ausbildungsinhalte/Curricula, Personal, Ausbildungsmittel sowie Ausbildungsorganisation festgelegt, aber auch die Lernergebnisse bzw. Prüfungsanforderungen (Output-Standards). Diese Standards sind institutionalisiert, ihre Einhaltung wird durch bestimmte Verfahren kontrolliert. Sie haben eine verpflichtende Wirkung auf alle Bildungsanbieter innerhalb des dualen Systems.

 

Qualitätssicherung in der Weiterbildung

Die o.g. Kriterien gewährleisten einerseits eine hohe Ausbildungsqualität, andrerseits erschweren die komplexen Regelungen eine rasche Anpassung an veränderte Anforderungen, die besonders im Weiterbildungsbereich augenfällig werden. Allerdings muss auch hier die Qualität stimmen, muss messbar sein. Versprechungen des Veranstalters reichen eben so wenig wie subjektive Einschätzungen von Teilnehmern. Der Preis ist gleichfalls selten eine qualitative Messlatte. Es müssen also auch hier anerkannte Qualitätsmaßstäbe gesetzt werden, die dem Teilnehmer nicht nur Sicherheit suggerieren, sondern auch tatsächlich geben.

Die qualitative Dimension einer beruflichen Bildungsmaßnahme dürfte eigentlich für alle Beteiligten außer Frage stehen: Für den Bildungsträger im wohlverstandenen Eigeninteresse, für den Teilnehmer und den Auftraggeber wg. des Anspruchniveaus sowie der Verwendbarkeit von Lerninhalten für das eigene Fortkommen oder für die optimale Besetzung eines Arbeitplatzes. Dennoch tut man sich mit dem Qualitätsbegriff – warum auch immer – bisweilen sehr schwer. Ein Imageproblem sondergleichen!

 

Qualitätskriterien der Arbeitsverwaltung

Seit mehr als einem Dutzend Jahren lässt die Bundesanstalt für Arbeit die Qualität von Bildungsmaßnahmen nach dem im Ausbildungsbereich bewährten o.e. Input-/Output-Modell prüfen. Es wurde ein Kriterienkatalog aufgestellt, der im jeden Einzelfall zu operationalisieren ist. Es wird zwischen maßnahmebezogenen, trägerbezogenen sowie teilnehmerbezogenen Qualitätskriterien unterschieden. Sie dürften den hier Anwesenden im Grundsatz bekannt sein (Kriterienkataloge ggf. mitnehmen zum Aushändigen). Der Kriterienkatalog ist im übrigen Bestandteil eines Qualitätskreises im gesamten Weiterbildungsprozess (Folie), in den übrigens sehr viele Mitarbeiter der BA mit ihrer Kompetenz einbezogen sind.

Solche oder ähnliche Regelkreise bilden mittlerweile viele Institutionen bei ihren Qualitätssicherungsmodellen ab. M. E. wird hierdurch die Komplexität und damit auch die Schwierigkeit der Thematik sehr deutlich. Es können meinerseits daher nur wenige Punkte der Problematik angerissen werden.

 

Weiterbildung als Arbeitsmarktfaktor

Seit etlichen Jahren ist eines der zentralen Probleme des Arbeitsmarktes die permanente Unausgewogenheit zwischen offenen Stellen und arbeitslosen Nachfragern. Die Schere zwischen betrieblichen Anforderungsprofilen und dem Know-how der Bewerber geht immer öfter und immer stärker auseinander. Die wichtigste Aufgabe der BA in diesen Zeiten ist daher, dieser Kluft entgegenwirken mit Hilfe einer arbeitsmarktorientierten Weiterbildung. Ziel ist – selbstverständlich – die Beendigung der Arbeitslosigkeit. Ergebnisbezogene Evaluationen müssen daher im Mittelpunkt aller Untersuchungen über die Auswirkungen aktiver Arbeitsmarktpolitik stehen. Das heißt letztendlich: Unabdingbarer Qualitätsindikator beruflicher Bildungsmaßnahmen ist die anschließende Beschäftigungsquote der Teilnehmer. Nur so lässt sich die Ausgabe von Haushaltsmitteln in Milliardenhöhe volkswirtschaftlich und politisch rechtfertigen; denn die Finanzierung beruflicher Weiterbildung arbeitsloser Arbeitnehmer aus Beitragsmitteln der Beschäftigten kann und darf kein Selbstzweck sein.

Aus bildungspolitischer Sicht haben ergebnisorientierte Evaluationen hingegen einen entscheidenden Nachteil: Sie zeigen zwar auf, welche Arten von Bildungsmaßnahmen gute Beschäftigungserfolge haben und welche nicht, geben jedoch selten Aufschluss darüber, warum dies so war. Hier zeigt sich wiederum die Komplexität des Qualitätsprozesses.

Eine interessante Variante zur Wirksamkeit berufsbildender Maßnahmen ist in den angloamerikanischen und skandinavischen Ländern anzutreffen: Man gibt sich nicht damit zufrieden zu ermitteln, ob der Besuch einer Maßnahme für die Teilnehmer einen positiven Beschäftigungseffekt hatte, ebenfalls wird untersucht, ob dieser Effekt auch ohne die Maßnahme eingetreten wäre. Aus fachlicher Sicht sicherlich eine Methode, relativ präzise Aussagen zur Effizienz und Effektivität beruflicher Maßnahmen zu erhalten. Frage ist nur, welche Quantitäten Aufwand und Ertrag noch rechtfertigen.

Fazit

Kritiker der ergebnisorientierten Evaluierung verweisen gerne darauf, dass hohe Beschäftigungsquoten nach Abschluss einer Bildungsmaßnahme an sich noch kein Indikator für Qualität seien, ebenso wenig wie niedrige. Dem ist insofern zuzustimmen, dass nicht notwendigerweise immer ein entsprechender Kausalzusammenhang besteht. Zu beachten ist jedoch, dass es sich hierbei nicht um simple Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung handelt, sondern wie bereits mehrfach darauf hingewiesen um ein komplexes Geflecht von unterschiedlichsten Variablen. Gleichwohl sollten in der künftigen Diskussion um die Qualitätssicherung beruflicher Bildungsmaßnahmen auch prozessbezogene Aspekte einbezogen werden, um so zu komplementären Verfahren zu gelangen. Es wäre gewiss ein Beitrag zur weiteren Verbesserung der Qualität. Das gilt auch für die anderen zur Zeit diskutierten qualitätssichernden Verfahren wie ISO 9000 ff oder das EFQM-Modell. Erst das Zusammenwirken der verschiedensten Qualitätsansätze wird das Erhoffte bringen: die größtmögliche Sicherheit für den interessierten Teilnehmer an Weiterbildungsmaßnahmen. Lassen Sie mich deshalb mit einem klugen Spruch schließen, den ich neulich irgendwo gelesen habe:

„ Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein."


Annegret Baumeister-Bruns, Qualitätsentwicklung und Förderbedingungen - Thesenpapier. Online im Internet – URL: http://www.die-frankfurt.de/esprid/dokumente/doc-2001/baumeiser-bruns01_01.htm
Dokument aus dem Internet-Service Texte Online des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung e. V. – http://www.die-frankfurt.de