DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung

Unterstützende Strukturen für die Weiterbildung liefern, ausbauen, vernetzen!“

Gespräch mit Ekkehard Nuissl (E.N.)

Was ist mit dem Begriff „Support“ gemeint? Wofür sind Supportstrukturen notwendig, und auf welche Felder und Dimensionen bezieht sich Support in der Weiterbildung? Welche Supportleistungen erbringt das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung? - Das DIE-Gespräch mit Ekkehard Nuissl (E.N.), Professor für Erwachsenenbildung an der Universität Marburg und Direktor des DIE, über Support für die Erwachsenenbildung, Support-Schwerpunkte und Perspektiven im nationalen und internationalen Rahmen führte Angela Franz-Balsen (DIE).

DIE: Auch im Wortgebrauch des DIE tritt der Begriff „Support“ zunehmend neben den Terminus  „Service“ bzw. „Dienstleistung“. Ist mit diesem Wechsel in der Terminologie eine neue Sichtweise verbunden?

E.N.:„Support“ hat in der Tat eine andere Dimension. Service und Dienstleistung sind Dinge, die etwas produzieren, wo ein Produkt da ist, das von einem bestimmten Nutzen ist, um sehr konkrete Entwicklungen voran zu treiben. Sie haben eine Dienstleistung etwa im Bank- oder im Restaurantgewerbe, wo Sie dann wissen, da gibt es etwas, das die Leute konkret benötigen. Bei Support - und das signalisiert den Wandel in der Angelegenheit - geht es weniger darum, unmittelbar greifbare Produkte herzustellen, sondern eher darum, unterstützende Strukturen zu schaffen, innerhalb derer eine gewünschte Sache besser vorangebracht werden kann. Ein Beispiel: Als Dienstleistung würde ich ein Programmheft einer Bildungseinrichtung verstehen, das Leute lesen können, wo sie sich informieren können. Support wäre dagegen eine innerhalb eines überschaubaren regionalen Rahmens organisierte Informationsstruktur, die von bestimmten Stellen regelmäßig unter bestimmten Bedingungen abgerufen werden kann - also das Vorhalten der und die Wege zur Information. Ich glaube, dass dieser Wandel in Richtung unterstützender Strukturen deshalb eintritt oder teilweise auch schon eingetreten ist, weil die einzelnen Produkte und Dienstleistungen immer differenzierter und in einem immer höheren Ausmaß flexibilisiert werden. Um überhaupt erreichen zu können, dass z.B. eine verbindliche Qualität oder eine Vereinheitlichung von Angeboten möglich ist, benötigt man immer mehr Strukturen - nicht mehr die einzelnen Angebote, sondern die übergreifenden Strukturen. Das ist der wesentliche Wandel, der sich auch in diesem Begriff ausdrückt.

DIE: Welche derartigen Strukturen braucht denn die deutsche Erwachsenenbildung?

E.N.: Die deutsche Erwachsenenbildung ist gekennzeichnet dadurch, dass sie sehr heterogen ist, dass sie an den Rändern unscharf ist, man weiß nicht, wo sie anfängt und wo sie aufhört. Sie ist gekennzeichnet dadurch, dass sie eine gewachsene und keine geplante Struktur hat, dass sie auch auf der Seite, wo man eine systematische Gestaltung erwartet, nämlich auf der des Staates, auf Grund von Ressortegoismen und ähnlichen Verwaltungsproblemen eher zerfällt. Nicht zu vergessen sind natürlich die verbandlichen Organisationen, die weitere, zudem vielfach abgeschottete Substrukturen schaffen. Um diese zersplitterte und unklare, andererseits aber auch - positiv formuliert - sehr bewegliche und flexible Weiterbildung zu gestalten, braucht man Supportsysteme, die unter dem Blickwinkel der Interessen derjenigen, die lernen wollen, Informationen liefern. Man muss so etwas wie Bildungsberatung organisieren, damit die Lerninteressierten sich auch tatsächlich beraten lassen können. Diese Supportsysteme müssen institutionell das erreichen, was notwendig ist, nämlich eine gemeinsame Qualitätssicherung und schließlich eine Professionalisierung der Lehrenden, die ja von der Grundausbildung her gesehen gar nicht existiert. Es gibt bisher nur den Studiengang Diplompädagogik mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung, aber keine berufspraktische Qualifizierung, um dort einen Mindeststandard an professionellem Know-how, an Handwerkszeug, auch an Verständnis darüber, was Professionalitätskriterien sind, zu erreichen. Dazu bedarf es einer Unterstützung. Die meisten Einrichtungen der Weiterbildung sind klein und können es für sich gar nicht erreichen, dass sie ihre eigenen Leute richtig gut qualifizieren und professionalisieren. Das sind insgesamt die wesentlichen Aspekte von Support.

DIE: Sind das auch die Schwerpunkte der Supportleistungen des DIE?

E.N.: Im Großen und Ganzen ganz sicher. Es sind zumindest die Schwerpunkte, die auf die Praxis der Erwachsenenbildung hin orientiert sind, also auf die Einrichtungen, auf die Beschäftigten, auf die Lernenden hin, die Unterstützung brauchen. In diesen Bereichen sind wir tätig. Wir decken aber hausptsächlich andere Supportfunktionen ab, die nicht unmittelbar auf die Lernenden und den Weiterbildungsbereich abzielen, sondern auf die Wissenschaft, denn das DIE ist eine Einrichtung, die Service für die Wissenschaft bietet. Die Wissenschaft nun ihrerseits soll ja wieder Hilfestellung für die Praxis sein, also so gesehen gibt es eine vermittelte Supportstruktur. Im Zuge des Service für die Wissenschaft erweist sich unsere enge Zusammenarbeit mit dem Feld als grundlegend: Wir formulieren Forschungsfragen, die wir aus der Kenntnis unseres Praxisfeldes einbringen. Wir unterstützen Forschungsarbeiten, wir kooperieren mit Hochschulen und anderen Einrichtungen, um Forschung zu betreiben. Und wir machen Politikberatung, sehr konkret im Sinne von Erfahrungstransfer aus einzelnen Bereichen oder auch im Sinne von Evaluationsergebnissen. Denn Evaluationen, d.h. begleitende Untersuchungen von realen Prozessen, machen wir auch, das ist auch notwendig, denn nur auf solchen Erfahrungen und systematisierten Auswertungen aufbauend kann man Entscheidungen darüber treffen, wie etwas verbessert, entwickelt oder weitergebracht werden kann.

DIE: Gibt es andere Einrichtungen hierzulande, die ähnlich arbeiten wie das DIE?

E.N.: Es gibt in der deutschen Weiterbildung eigentlich keine Einrichtung, die wie das DIE Service für die Wissenschaft (und damit auch für die Praxis) der Weiterbildung liefert. Das Bundesinstitut für Berufsbildung, das auch zur beruflichen Weiterbildung arbeitet, befasst sich in diesem engeren Sektor kaum mit Wissenschaftsservice, vor allem erfüllt es als nachgeordnete Behörde des Bundes vielfältige obligatorische Aufgaben. Sektorale und regionale Serviceleistungen für die Praxis, etwa Fortbildungen und statistische Daten, erbringen auch das Forschungsinstitut für Arbeiterbildung in Recklinghausen und das Landesinstitut für Schule und Weiterbildung in Soest.

DIE: Diese Supportstrukturen, die die Aufgabe haben, die Weiterbildungslandschaft zu vernetzen, vernetzen die sich auch untereinander?

E.N.: Im Großen und Ganzen würde ich sagen: Ja. Es ist zu beobachten, dass Informations- und Beratungssysteme besser aufeinander abgestimmt sind, der Transfer von Modellen und Entwicklungen häufiger angestrebt wird, Datenbasen zugänglicher und etwa Fortbildungen breiter geöffnet sind. Das DIE versucht intensiv, hier Kontakte herzustellen, Barrieren zu überwinden, gemeinsame Interessen, aber auch Interessenunterschiede klarer auf den Tisch zu legen. Auch ist, das darf man nicht übersehen, in den vergangenen Jahren die Transparenz der Weiterbildung durch eine Unzahl von Veröffentlichungen erhöht (und andererseits auch wieder verschleiert) worden. Ich denke, dass wir hier einen langsamen Prozess der Vernetzung beobachten können. Hinderlich jedoch, das ist nicht zu übersehen, sind verschiedene Grenzen: Auf staatlicher Seite vor allem die föderale Struktur der Bundesrepublik, nicht weniger jedoch die Aufsplitterung der Weiterbildung in unterschiedlichen Ressorts. Auf der Ebene der Wissenschaft die unzureichende interdisziplinäre Vernetzung der Wissenschaften, die sich mit dem organisierten Lernen (und auch dem nicht organisierten Lernen) von Erwachsenen beschäftigen, etwa der Erziehungswissenschaft, der Psychologie, der Soziologie, der Ökonomie, der Neurobiologie und der Kommunikationswissenschaft. Und in der Praxis die nach wie vor sehr starke Abgrenzung der Bereiche gegeneinander, so die nach wie vor kraftvolle Trennlinie zwischen allgemeiner und beruflicher Weiterbildung, aber auch die Abschottungen großer Weiterbildungsorganisationen voneinander. Besonders bemerkenswert erscheint mir, dass die Öffnung von Supportstrukturen für die Weiterbildung in großen Organisationen wie etwa den Sport- und den Wohlfahrtsverbänden erst in den Ansätzen steckt. Das, was dort an Weiterbildung gemacht wird, ist vielfach in der öffentlichen Diskussion noch gar nicht als Weiterbildung erkannt oder auch anerkannt.

DIE: Und wie sind die Perspektiven?

E.N.: Die sind sehr gut. Also, wenn ich mal ein Beispiel sagen darf, Statistik: Wir haben ein großes Problem in der Frage, was wir eigentlich über die Weiterbildung wissen. Man weiß etwas über die Weiterbildung; wenn man empirische Daten erhebt, dann weiß man mehr. Dafür haben wir das Berichtssystem Weiterbildung, das in Hannover gemacht wird, das auch wesentliche Grundlage für politische Diskussionen und Entscheidungen ist. Aber wir haben zu wenig genaue Kenntnisse über die Träger-, Einrichtungs- und Angebotssituation. Darüber gibt es sehr wenig. Das weiß man eigentlich nur von den deutschen Volkshochschulen, und diese Statistik machen wir. Wir sind auf einem guten Wege, mit Unterstützung der Bundesregierung jetzt auch in anderen Bereichen der Weiterbildung diese notwendigen Daten zu sammeln, also eine übergreifende Einrichtungsstatistik zu entwickeln, um Vergleichbarkeit herzustellen, um den Bereich transparenter und gestaltbarer zu machen, um auch gezielter Investitionen vornehmen zu können und die Einrichtungen selbst, also die Organisationen und Verbände, handlungsfähiger zu machen. Denn die sind natürlich auch darauf angewiesen, dass sie gute Daten haben, auch Vergleichsdaten, Kennzahlen, um benchmarken zu können, was heute immer wichtiger wird. So gesehen ist Support auch zugleich etwas, das nicht nur Kooperation fördert, sondern auch das Behaupten in der Konkurrenz erleichtert, wenn Sie so wollen.

Konzept für Support entwickeln

DIE: Das war ja schon fast ein Blick in die Zukunft. Wie sollte sich denn der Support, den das DIE leistet, noch verändern und fortentwickeln?

E.N.: Wir sind ein für den Bildungsbereich nicht ganz so kleines Institut, aber wir sind natürlich klein, gemessen an der Aufgabe, die wir zu leisten haben. Wir können daher nicht davon ausgehen, dass dieses kleine Institut dauerhaft allein Supportstrukturen liefert. Wir können und wollen uns darauf konzentrieren, Konzepte für Support zu entwickeln, also beispielsweise Statistikprogramme, die für wissenschaftliche Auswertungen ebenso wie für unterschiedliche Trägerorganisationen verwendbar sind, wir wollen Fortbildungskonzepte entwickeln, die wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis umsetzen, also im Grunde Initiativen, Innovationen und konzeptionelle Grundlagen für Support schaffen. Diese nicht nur einfach schaffen, sondern sie gemeinsam mit der Wissenschaft und den betroffenen Organisationen erstellen und in der Realisierungsphase unterstützen und evaluieren. Dann aber, wenn eine verstetigte Supportstruktur eingerichtet ist, also beispielsweise ein dauerhaft laufendes und zu speisendes Informationssystem vor Ort - was auch viel Zeit und Kapazität verschlingt -, dann müsste es Organisationen geben, die das weiter betreiben, denn wir können, wollen und sollen das nicht. Daher konzentrieren wir uns auf Entwicklung, Innovationen, Konzepte, wissenschaftliche Begleitung, Beratung und auf eine Analyse derjenigen Felder, von denen wir denken, dass hier weiter entwickelt oder geforscht oder etwas unterstützt werden müsste. Wir haben da auch eine gute Arbeitsteilung mit den Hochschulen. Unser Prinzip heißt: Kooperation und Übernahme derjenigen Aufgaben, die an einer Hochschule nur schwer oder gar nicht realisierbar sind, Unterstützung der wissenschaftlichen Arbeit und ihres Nutzens für den Fortgang der Praxis.

DIE: Gibt es für das, was Sie geschildert haben, Vorbilder im Ausland?

E.N.: Ja und nein. Es gibt ein Institut das DIE in keinem europäischen Land und, soweit ich weiß, auch außerhalb Europas nicht. Dies gilt besonders für das spezielle Merkmal des „Service für die Wissenschaft“. Es gibt aber natürlich schon Einrichtungen, die mit dem Supportbedarf des Weiterbildungsbereiches in ähnlicher Weise umgehen. Da ist zum Beispiel das National Institute for Adult and Continuing Education (NIACE) in Leicester in England. Die haben übrigens interessanterweise inzwischen den Untertitel „and Learning“, d.h., auch sie haben ihren Fokus jetzt von der Erziehung und Bildung zum Lernen verschoben. NIACE ist eine Institution, die dadurch entstand, dass alle englischen Weiterbildungsorganisationen sich zusammengeschlossen haben, um gemeinsam eine Zentrale zu gründen, die ihnen den notwendigen Support liefert: den politischen Support, d.h. Lobbyarbeit für Weiterbildung, und den generellen Support, d.h. Werbung für Bildung wie z.B. die „Learner’s Week“, die inzwischen in Europa auch schon sehr weit verbreitet ist. Die Idee kommt aus England. Hinsichtlich der Behandlung allgemeiner Daten macht NIACE auch so etwas wie das Berichtssystem Weiterbildung, oder sie treiben auch den Kenntnisstand über Weiterbildung voran, indem sie Bücher publizieren und verschiedene Entwicklungsprojekte durchführen. Beispielsweise bei der Frage des „Learner’s Account“, also des neuen Finanzierungssystems, ist NIACE involviert in die Erprobung und Entwicklung solcher Systeme. NIACE hat wesentlich weniger als wir eine wissenschaftliche Seite, was aus dem Entstehungszusammenhang heraus erklärbar ist, macht aber inzwischen doch schon einige Sachen, die im wissenschaftlichen Bereich liegen. Übrigens auch - was ich für das DIE noch nicht erwähnt habe - Dokumentation von Materialien. Dafür muss es ja auch auf nationaler Ebene Stellen geben, die das tun.

Eine ähnliche Entstehung wie NIACE, aber eine noch nicht so große Struktur hat der Schweizerische Verein für Erwachsenenbildung in Zürich. Soweit ich das überblicke, gibt es auch in Osteuropa, in Slowenien, schon eine Einrichtung, die einen ähnlichen Zuschnitt hat. Ansonsten zeichnet sich ab, dass sich auf europäischer Ebene Supportstrukturen eher als Netzwerk nationaler Einrichtungen aufbauen, da es gar nicht sinnvoll wäre, dort eine Über-Organisation, eine Art Über-Institut zu schaffen. Besser ist ein Netzwerk nationaler Einrichtungen, das versucht, die für alle nationalen Weiterbildungspolitiken wichtigen Fragen zu klären, wie Qualitätsfragen, Professionalisierung, Datenbanken zur Weiterbildung und so weiter. Was fehlt, ist hier ein Nukleus, von dem aus das Netzwerk getragen und vorangebracht wird. Mit dem Zusammenschluss europäischer Serviceinstitute, ERDI, in dem etwa DIE, NIACE und SVEB neben zwölf anderen internationalen Einrichtungen Mitglied sind, ist die Grundlage dafür geschaffen.

Nationale Support-Kapazitäten auf europäischer Ebene vernetzen

DIE: Heißt das, Sie meinen, dass auf europäischer Ebene eigentlich schon genug an Support für die Weiterentwicklung der Erwachsenenbildung in Hinsicht auf eine gemeinsame Sprache, im Sinne einer gemeinsamen Verständigung vorhanden ist?

E.N.: Nein, das wäre ein Missverständnis. Es ist dringend notwendig, dass die Vernetzung der nationalen Kapazitäten im Support-Bereich auf europäischer Ebene weiter vorangeht, aber damit einhergehen muss natürlich eine Weiterentwicklung der europäischen Bildungspolitik. Im Moment läuft die europäische Bildungspolitik, gerade im Weiterbildungsbereich, sehr stark über Projekte und Modelle. Das ist gut, weil es unterschiedliche Dinge zusammenführt, weil es meistens mit wissenschaftlicher Begleitung verbunden ist, die auch Unterschiede und Probleme genauer erkennen kann, aber es ist nicht so sehr gut, weil es keine dauerhaften Strukturen und Zusammenhänge schafft. Ich glaube, die Verstetigung und Konsolidierung eines europäischen Systems von Weiterbildung ist etwas, das noch in relativer Ferne ist und zu dem nationale Institute wie das DIE oder wie das erwähnte NIACE sehr gut beitragen können.

DIE: Wenn wir noch weiter, über die europäische Ebene hinaus denken, bräuchte da die deutsche Erwachsenenbildung auch Support?

E.N.: Im Sinne einer Verbesserung der Internationalität? Ja, das würde ich sehr deutlich sagen, die Wissenschaft braucht dies ebenso wie die Praxis der deutschen Erwachsenenbildung. Ich glaube, wir haben eine ähnliche Situation, wie das bei großen Regionen auch in anderen Ländern Europas der Fall ist, Frankreich zum Beispiel: Man kann da eine Zeitlang sehr gut existieren, wegen der gemeinsamen Sprache, Kultur, Großräumigkeit, ohne dass man an internationale Kontexte heran muss. Es gibt Personen und Institutionen, die das ohne weiteres hinkriegen, die will ich auch gar nicht kritisieren. Ich glaube, dass wegen der Größe, der Masse der deutschsprachigen Erwachsenenbildung und auch des relativ guten Entwicklungsstandes gar nicht so sehr der breite Bedarf da war und auch im Moment noch nicht da ist, sich international zu orientieren. Das kann ich auch gut verstehen, denn bei internationalen Aktivitäten fragt man sich ja immer: Der Aufwand ist so groß, wo ist das Ergebnis? Andererseits muss man feststellen, dass zumindest die europäische Bildungspolitik sich in wachsendem Maße verregelt und systematisiert: Verregelt in den berufsbezogenen Bereichen und systematisiert auch ganz allgemein in Sachen Professionalisierung, Qualitätsstandards und Medien. Es werden viele Einrichtungen in Deutschland noch erstaunt sein, wenn sie feststellen, dass etwa Methoden des Open oder Distance Learning, also des Fernunterrichts, heute mit Internet und anderen Möglichkeiten gar nicht mehr auf den deutschen Raum beschränkt sind. Und sie werden sehr genau schauen müssen, wenn die notwendige höhere Modularisierung einzelner Ausbildungsinhalte Konkurrenz, aber auch Kooperation auf einem internationalen Sektor zulässt. Und auch im Bildungsbereich beginnen internationale „Konzerne“ (wie etwa die EURO-Schulen) tätig zu werden. die den nationalen Einrichtungen das Wasser abgraben. Innerhalb der deutschsprachigen Gebiete ist das jetzt schon so, aber wir stellen auch fest, und ich bin froh darüber, dass zunehmend zumindest die englische Sprache als notwendiger Bestandteil der Kooperation neben vielen europäischen Kontakten da ist.

DIE: Wir sind auf eine spezielle Supportleistung des DIE, die Publikationen, noch nicht besonders eingegangen. Wie beurteilen Sie die zukünftigen Chancen dieser Art von Support?

E.N.: Das DIE ist im Publikationsbereich stark, d.h. innovativ und serviceorientiert, in zwei Richtungen. Das eine ist eine immer intensivere Diskussion über den Adressatenbezug und die Verwendbarkeit der Publikationen, also: Was braucht das Feld? Wo liegt ein geeignetes Medium des Transfers von wissenschaftlichem Wissen und praktischer Erkenntnis? Ich finde, dass das Institut da mit seiner Reihenkonzeption und seiner Vernetzung der Publikationen in unterschiedlichen Kontexten wirklich weit ist. Andererseits ist das DIE auch relativ weit in der Akzeptanz und Erprobung neuer Medien. Wir haben jetzt z.B. ein Buch publiziert von Joachim Ludwig mit dem Titel „Lernende Verstehen“. In diesem Buch ist die gedruckte Version wesentlich schlanker und adressatenorientierter als eine zugleich mitgelieferte und um Dokumente ergänzte Internet-Version, die sehr interessierte Leute - die zahlenmäßig nicht so viele sind - dann auch abrufen können. Wir haben mit dieser Kombination oder auch durch die Internet-Plattform, die wir im ESPRID-Projekt organisieren, die Möglichkeit, neue Medien auszuprobieren unter der Fragestellung: Was taugen sie, was leisten sie, wie kann man sie als Publikationsmedien nutzen und wo sind auch ihre Grenzen? Das Buch wird nicht verschwinden, aber es wird seine Funktion verändern, und ich glaube, dass wir da auch relativ weit sind, zumal dies in dem Bereich zwischen Wissenschaft und Praxis noch einmal zusätzlich kompliziert ist.

DIE: Das Internet ist ja sicher ein Bereich, der zunächst einmal ein Zuschussgeschäft sein wird. Andererseits, und das gilt auch für das DIE, muss man sich auf dem Markt behaupten, muss Mittel akquirieren. Welche Rolle spielt das Geld beim Thema Support, gibt es für Support auch einen Markt? Zugespitzt gefragt: Verkauft das DIE Support?

E.N.: Das DIE verkauft Support in dem eingeschränkten Sinn, den ich vorhin erwähnt habe: Wir konzipieren, wir planen, wir begleiten, wir evaluieren. Das sind immer investive Aktivitäten, denn Sie können wissenschaftliche Begleitung normalerweise nicht durch den Verkauf einer Dienstleistung wieder hereinspielen. So sind entwickelte Produkte wie Fortbildungskonzepte oder Tests für Zertifikate immer nur von einer begrenzten Lebensdauer und müssen nach einer gewissen Zeit wieder überprüft, evaluiert werden. Im Bildungsbereich ist es nach wie vor so, dass diese investiven Phasen sich nicht durch den Verkauf des Produktes wirklich reinholen lassen. Also, das glaube ich weiterhin, es ist nicht das Riesengeschäft. Aber natürlich, wenn ich jetzt einmal von diesen Sonderphasen der Konzeption und Erprobung absehe, bin ich der festen Überzeugung, dass ein guter Service sich auch daran messen lassen muss, ob er sich verkauft. Ein Informationssystem, das nicht von so vielen Leuten genutzt wird, die dafür auch bereit sind, einen bestimmten Betrag zu bezahlen, dass es sich selbst trägt, kann perspektivisch nicht richtig sein. Das ist meine Meinung. Natürlich brauchen Sie gerade im Weiterbildungsbereich, der ja noch in der Entwicklung ist, einen langen Atem. Sie müssen eine lange Investitionsphase einkalkulieren, und die Mittel für die Investition in den Aufbau von Dienstleistungsstrukturen sind nicht gering. Da kann man den Staat überhaupt nicht auslassen, man muss einfach sagen: Wir müssen hier investieren, es gibt niemand anderen, der hier investiert, denn am Ende, wenn die Investitionsphase beendet ist, verspricht sich nicht der große Gewinn. Wir haben  die Möglichkeit einer Refinanzierung der Sache, aber nicht so, dass es wirklich profitabel ist. Aber Refinanzierung würde ich schon für ein Kriterium einer guten Dienstleistung und Supportstruktur auch in der Weiterbildung halten.

Lobbyarbeit als Support

DIE: Es ist vorhin ein spannendes Wort gefallen, das Stichwort Lobbyarbeit. Lobbyarbeit als Support - wie läuft das und mit welcher Zielrichtung sollte das noch verstärkt werden?

E.N.: Lobbyarbeit gibt es in dem engeren Sinne, dass Organisationen versuchen, an Stellen, wo Einfluss, Macht, Geld erreichbar ist, etwas für ihre Organisation abzugreifen. Das ist der eher kritisch besetzte Aspekt. Aber es gibt auch noch eine ganz andere Lobbyarbeit in einem weiteren Sinne, die ich tatsächlich auch für eine Dienstleistung und Supportstruktur halte, nämlich Lobbyarbeit für Weiterbildung insgesamt. Wenn wir zum Beispiel als DIE im nationalen Forschungs-, Wissenschafts- und Bildungskontext so präsent sind, dass alle, die darüber sprechen, wie man Forschung, Bildungsarbeit, Weiterbildung entwickeln kann, gar nicht umhin kommen festzustellen: Es gibt ja diesen Aspekt der Weiterbildung von Erwachsenen als einen zentralen und durchaus professionell betriebenen Aspekt - dann ist das im guten Sinne Lobbyarbeit. Dann wird Weiterbildung als wesentlicher Bildungsbereich wahrgenommen, der auch weiterentwickelt werden muss. Bundeskanzler Schröder hat in seiner Rede bei der Generalversammlung der Hochschulrektorenkonferenz an einer Stelle die Weiterbildung erwähnt und gesagt, die Möglichkeit der Hochschulen, Einnahmen zu erwirtschaften, läge nicht in ihrer Lehr- und Forschungsarbeit, sondern in ihrer Aufgabe als Weiterbildungseinrichtung. Das fand ich einerseits ganz gut, dass er die Hochschulen auch als Weiterbildungseinrichtungen sieht, andererseits fand ich völlig daneben, dass er denkt, da wäre das große Geld für die Hochschulen zu holen. Also, da müsste man doch schon mal - auch das ist wieder eine Frage von guter Lobbyarbeit - da muss man doch einfach mal die Dimensionen gerade rücken. Das, was in der Weiterbildung geschieht, ist unter gar keinen Umständen in der Lage, Hochschulfinanzierung zu verbessern. An diesen Stellen auch politisch zu arbeiten, nicht auf die einzelnen Organisationen bezogen, sondern auf das Verständnis von Weiterbildung, Mythen abzubauen, falsche Vorstellungen zu bereinigen, die Bedeutung des Bereichs zu präzisieren und dafür zu werben, das ist eine ganz wichtige Unterstützungs- und Supportarbeit.


Deutsches Institut für Erwachsenenbildung
Juli 2000

Angela Franz-Balsen, Ekkehard Nuissl, Unterstützende Strukturen für die Weiterbildung liefern, ausbauen, vernetzen!
Online im Internet:URL: http://www.diezeitschrift.de/32000/gespraech.htm
Dokument aus dem Internetservice Texte online des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung
http://www.die-bonn.de/publikationen/online-texte/index.asp